Simferopol - Auf der Krim ist ein weiterer prominenter Gegner einer Angliederung an Russland vermutlich entführt worden. Sergej Kowalski, der in den vergangenen Monaten Demonstrationen für eine EU-Annäherung der Ukraine organisiert hatte, nehme seit Dienstag, 18 Uhr sein Telefon nicht mehr ab, berichtete die Internetzeitung investigator.org.ua am Mittwoch.

Vor wenigen Tagen war bereits sein Vater Anatoli Kowalski verschwunden. "Ich bin mir bewusst, dass ich in Gefahr bin, ich bekomme auch Todesdrohungen", hatte Sergej Kowalski noch am Montag zur APA gesagt. Der 28-Jährige hatte am Samstag die bisher größte Demonstration für einen Verbleib der Krim in der Ukraine organisiert, rund 1.000 Menschen waren zum Schewtschenko-Denkmal in Simferopol gekommen. Die Pro-Ukraine-Aktivisten berichten von fünf bis sieben verschwundenen Personen.

Weiterhin unklar ist der Verbleib von Anatoli Kowalski und Andrej Schtschekun, Vorsitzender des Simferopoler Kulturzentrums "Ukrainisches Haus". Die beiden wurden laut Augenzeugen von Mitgliedern der "Selbstverteidigungstruppen" festgesetzt, die dem von Kiew nicht anerkannten Krim-Ministerpräsidenten Sergej Aksjonow unterstellt sind. Später sollen sie über die Polizei an Aksjonows Partei "Russische Einheit" übergeben worden sein.

Aksjonow verteidigt Maßnahmen

Aksjonow erklärte am Dienstag der Nachrichtenagentur Rosukrinform, ein kurz zuvor von ihm gegründeter "Geheimdienst" habe Schtschekun in Gewahrsam genommen, weil dieser versucht habe, das Referendum über einen Anschluss der Krim durch "Provokationen" zu diskreditieren. "Wir haben Kriegszustand, da müssen wir zu drastischen, aber notwendigen Maßnahmen greifen", so Aksjonow. Schtschekun werde nichts zustoßen, Möglichkeiten zu einem Kontakt mit Schtschekun räumte er jedoch nicht ein.

Der Krim-Regierung geht es nach Einschätzung von Beobachtern darum, die Kritiker eines Anschlusses an Russland einzuschüchtern und so Protesten vorzubeugen. Dass sie dabei zu immer gewaltsameren Methoden greift, zeigt auch das Vorgehen gegen Journalisten aus dem Ausland und vom ukrainischen Festland. Immer mehr Pressevertreter sind Angriffen der "Selbstverteidigungstruppen" und anderer prorussischer Aktivisten ausgesetzt. Die teilweise Bewaffneten hindern sie an Liveübertragungen, entwenden Speicherkarten oder beschädigen die Ausrüstung.

"Das passiert täglich, deshalb müssen wir von einer zielgerichteten Aktion ausgehen", sagte Walentina Samar vom Zentrum für investigativen Journalismus der APA. Ihrer Ansicht nach versucht die Krim-Regierung damit, internationale Pressevertreter von einer Anreise zum Referendum abzuhalten. (APA, 12.3.2014)