Paris - Neben unzureichender Bewegung sowie zucker- und fettreicher Nahrung wird auch die genetische Veranlagung für Adipositas verantwortlich gemacht. Schon vor Jahren konnten Forscher einen Zusammenhang mit dem Erbgut nachweisen. Bisher galt dabei ein Gen namens FTO als hauptverantwortlich. Nun berichten Wissenschafter, diese Annahme widerlegt und ein anderes verantwortliches Gen ausfindig gemacht zu haben: IRX3. Mäuse ohne diesem Gen, das in ähnlicher Form auch beim Menschen vorkommt, hätten um fast ein Drittel weniger Gewicht als solche, die über das Gen verfügen, heißt es in der Studie, die aktuell im Fachmagazin "Nature" erschien.

Stoffwechsel-Regulierung

Die Erkenntnisse könnten einen wichtigen Ansatz für Medikamente gegen die um sich greifende Ernährungs- und Stoffwechselkrankheit bieten. Nach Angaben von Forschungsleiter Marcelo Nobrega von der US-Universität von Chicago deuten die Ergebnisse der Untersuchung stark darauf hin, dass das Gen "IRX3 die Körpermasse kontrolliert und den Körperaufbau reguliert". Dies ergibt sich vermutlich aus der Regulierung des Stoffwechsels.

In früheren Studien war vor allem das Gen FTO mit Adipositas in Zusammenhang gebracht worden. Doch Genveränderungen hatten die Funktionsweise von FTO nicht beeinträchtigt. Nun fanden die Wissenschafter heraus, dass die Mutationen - anstatt FTO zu beeinflussen - beim Gen IRX3 eine Reaktion hervorriefen: Es kam zu einer Überproduktion eines Proteins im Gehirn, wodurch möglicherweise eine Hirnregion beeinflusst wurde, die für Stoffwechsel und Appetit zuständig ist.

30 Prozent weniger Gewicht

"Die Mutationen, die eine Veranlagung zu Fettleibigkeit auslösen, ereignen sich innerhalb des FTO-Gens, daher der verbreitete Glaube, dass sie mit der Funktionsweise von FTO zusammenhängen", so Nobrega. Die Auswirkungen dieser Mutation würden jedoch das Gen IRX3 betreffen.

Die Forscher experimentierten mit Mäusen, Zebrafischen sowie mit menschlichen Zellen. Mäuse, die nicht über IRX3 verfügten, wogen dabei rund 30 Prozent weniger als ihre Artgenossen, obwohl sie dieselbe Nahrung aufnahmen und sich gleichviel bewegten. Laut Nobrega waren sie "dünn, widerstandsfähig gegen Fettleibigkeit und Diabetes und verbrannten Energie effizienter". Nun wollen die Forscher herausfinden, welche Zellfunktionen durch IRX3 verändert werden und wie Medikamente einen Effekt entfalten könnten, die Entwicklung von Fettleibigkeit zu blockieren.

Adipositas und damit verbundene Krankheiten wie Diabetes sind in vielen Industrieländern zu einem weitverbreiteten Problem geworden. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO verdoppelte sich die Zahl betroffener Menschen weltweit zwischen 1980 und 2008 beinahe. Mehr als ein Drittel aller Erwachsenen - rund 1,4 Milliarden - galten 2008 als übergewichtig, eine halbe Milliarde als fettleibig. (APA/red, derStandard.at, 12.3.2014)