Aus dem Straßenverkehr wissen wir: Mit Regeln kommen alle weiter, anstatt dass jeder nach seinem Gusto agiert. Diesem Gedanken folgt auch die EU: Durch Normen wird immer wieder versucht, in der Wirtschaft ein einheitliches Verfahren durchzusetzen, damit nicht jeder waltet, wie er will. Das gilt etwa für ökologisch orientierte Auflagen wie die 2008 verabschiedete Norm "Euro 6", die seit Jahresbeginn für alle ab heuer zugelassenen Lkws verbindlich ist: Seit dem 1. Jänner ist es jedem neu angemeldeten Lastwagen nur erlaubt zu fahren, wenn seine Abgase die nun gültigen Grenzwerte nicht überschreiten. Die Trucks mit der alten Technologie werden in Zukunft nach und nach verschrottet oder außerhalb der EU weiterverkauft.

Das beliebte Altbewährte

Die Hersteller mussten sich somit umstellen: Schließlich lassen sich Fahrzeuge schlecht an den Mann bringen, die nicht auf die Straße dürfen. Renault Trucks etwa hat zwei Milliarden Euro in die Entwicklung der neuen Fahrzeuge investiert. "Die neuen Baureihen wurden den bisher härtesten Entwicklungstests unterzogen, um leistungsstarke und zuverlässige Arbeitsgeräte zu bieten", verrät Renault-Sprecherin Barbara Legenstein.

Durch die verbindliche Norm hatten die Hersteller auch gar keine andere Wahl, die Kunden bis zum Jahresende dagegen schon: Viele Käufer nutzten die Gelegenheit und orderten noch vor dem Zulassungsstopp verstärkt Fahrzeuge mit der ihnen bekannten Technologie. Deshalb herrscht auf dem Markt insgesamt derzeit eine Absatzschwäche - eine übliche Entwicklung, die schon bei vorherigen Umstellungen zu sehen war.

Scania reagierte auf diesen zu erwartenden Einbruch, indem man bereits früh die Produktion umstellte, sagt der für Österreich zuständige Direktor Christian Teichmann: "Scania brachte als einer der ersten Hersteller Fahrzeuge auf den Markt, die der Norm entsprechen. Da wir Euro-6-Motoren für alle Fahrzeugsegmente vor der Pflicht anbieten konnten, war dies für uns kein einschneidendes Ereignis. Wir haben bereits 2013 einen Auftragseingang von nahezu 50 Prozent an Euro-6-Fahrzeugen verzeichnet."

Verschiedene Wege zum Ziel

Vor allem die Reduktion des CO2-Ausstoßes liegt ohnehin im Interesse der Hersteller und ihrer Kunden: Diese Emissionen hängen unmittelbar mit dem Treibstoffverbrauch zusammen, den man auch aus ökonomischem Interesse verringern möchte: Der Treibstoff macht schließlich ein Drittel der Gesamtkosten eines Lkws aus.

Bei der Erfüllung der Norm konnte der wirtschaftliche Aspekt natürlich nicht aus den Augen gelassen werden - wie Norbert Gall von DAF Trucks Austria verdeutlicht: "Im Konstruktionsbereich war die größte Herausforderung, dass man eine schlauere oder günstigere Lösung findet als die Mitbewerber. Unterm Strich soll das Ergebnis sein, ein Fahrzeug zu haben, das dieser Norm entspricht. Aber den Weg dorthin hat jeder anders gestaltet." Mercedes-Benz bedient sich einer gekühlten Abgasrückführung in Verbindung mit einem Dieselpartikelfilter und einem SCR-Katalysator. VW wiederum setzt auf einen variablen Ventiltrieb kombiniert mit Zylinderdrucksensoren und motornaher Abgasreinigung.

Bewegung erschwert manches

Dass man beim Inkrafttreten der Norm so weit sein würde, war aber nicht unbedingt abzusehen. Franz Weinberger, Marketingchef von MAN Austria, blickt zurück: "Als die Norm beschlossen wurde, konnte sich keiner vorstellen, dass wir solche Werte erreichen." Im Unterschied zu einem stationären Motor, der an einem Punkt läuft, ist der Einsatz von abgasmindernden Techniken in Bewegung erheblich schwieriger. "Bei einem Fahrzeug, das beschleunigt, verzögert sowie Erschütterungen und dem Wetter ausgesetzt wird, ist das Reduzieren von Abgasen deutlich komplexer", erklärt Weinberger.

Da es zum Beispiel bei einem Lkw immer auch um Nutzlast geht, müssen zusätzlich eingebaute Komponenten wie Partikelfilter möglichst gewicht- und platzsparend angeordnet werden. Im Bereich von Partikeln und Stickoxiden ist laut Franz Weinberger die Grenze des technisch Machbaren so gut wie erreicht. Zur weiteren Reduktion müssten nun die erlaubten Fahrzeuglängen geändert werden, um dieses Ziel auf aerodynamischem Wege zu erreichen. Hier ist dann aber wieder der Gesetzgeber gefragt. (Johannes Lau, DER STANDARD, 12.3.2014)