Klagen über Klagen: Russlands Ermittlungskomitee hat ein Verfahren gegen die ukrainische Staatsanwaltschaft eingeleitet, weil sie die Lage auf der Krim destabilisiere. Hintergrund ist ein Verfahren gegen den Chef der russischen Schwarzmeerflotte Alexander Witko, dem Kiew dasselbe vorwirft. Die Ukraine hat Anklage gegen die moskautreue Führung der Krim erhoben; Moskau wiederum fahndet nach mehreren am Maidan beteiligten Nationalistenführern, darunter den Chef des "Rechten Sektors" Dmitri Jarosch.

Die Kommunikation beider Länder läuft derzeit offenbar nur noch über Anklageschriften. Auch die Medien sind seit Wochen in einem Informationskrieg, der selbst vor dem Kinderfernsehen nicht halt macht. Anfang der Woche schickte sich gar in der russischen Gute-Nacht-Sendung Trickfilmhund Filja an, als Freiwilliger zum Militär zu gehen.

Die Nachbarn im postsowjetischen Raum reagieren verstört auf den Konflikt. Zugunsten der Ukraine haben sich bisher das Baltikum und Georgien positioniert, dem bei einer Annexion der Krim durch Russland schon im September der Weg für einen Nato-Beitritt freigemacht werden könnte. Überraschend hat sich auch Kirgistan auf die Seite Kiews gestellt: Das Außenministerium erklärte, es betrachte (im Gegensatz zu Moskau) Wiktor Janukowisch nicht als legitimen Präsidenten; seine Ansprache im russischen Rostow sei "nicht adäquat" gewesen. Die Krise müsse unter Einhaltung internationalen Rechts gelöst werden. Kirgistan gehört der von Russland geführten Organisation des Vertrags für kollektive Sicherheit an.

Auch andere Verbündete Russlands halten sich mit einer bedingungslosen Unterstützung für den Kremlkurs zurück: Armenien wahrt strikte Neutralität; die aserbaidschanische Botschaft in Kiew sprach eine Reisewarnung für die Krim aus. Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew war zwar einer der ersten Gäste Wladimir Putins nach Ausbruch der Krimkrise, sprach jedoch nur von seiner "Sorge", dass die Krise die Beziehungen innerhalb der GUS belasten könnten. Die Visite des 73-Jährigen beschränkte sich entgegen seiner Gewohnheit auf nur wenige Stunden. "Wer die Bedeutung solcher protokollarischen Details kennt, weiß diese Geste eindeutig zu bewerten", kommentiert der russische Zentralasienexperte Arkadi Dubnow.

Lediglich Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko hat Putin nach längerem Schweigen angeboten, angesichts der Nato-Präsenz im Baltikum und in Polen 15 Kampfflugzeuge in seinem Land zu stationieren.

Westen verurteilt Russland

In Polen hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel unterdessen neue EU-Sanktionen angedroht, sollte Russland nicht einlenken. Reise- und Visasperren könnten demnach schon am Montag beschlossen werden. In einer Erklärung der G-7 ist gleichfalls von Sanktionen die Rede. Auch der politische Teil eines Assoziierungsabkommens der EU mit der Ukraine könnte schon in der kommenden Woche unterzeichnet werden, hieß es in Warschau. Der Empfang des ukrainischen Premiers Arseni Jazenjuk in Washington am Montagabend sollte zugleich die ukrainische Führung aufwerten und US-Unterstützung für Kiew demonstrieren.

Das Europäische Parlament hat in der Plenardebatte zur Ukraine in Straßburg das Vorgehen Russlands einhellig als Aggression und Bruch des Völkerrechts verurteilt. "Dafür kann es keine Ausrede geben", hielt der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses, Elmar Brok, für die EVP fest. SP-Fraktionschef Hannes Swoboda betonte, dass das Referendum über die Abspaltung der Krim am Sonntag "nicht legitim" sei - es finde unter militärischen Druck statt, es gebe keine unabhängigen Beobachter und das Ergebnis werde vorweggenommen.

Die Grünen und die Liberalen fordern harte Wirtschaftssanktionen gegen Russland, das 75 Prozent seiner Exporte in die EU liefert und empfindlich getroffen werden könnte. Mehrere Abgeordnete sprachen von einer "Kriegsgefahr für Europa". Angesichts dieser Lage wurde aber auch die Abhaltung eines Sondertreffens der übrigen G-8-Staaten mit Russland vorgeschlagen.

Für Aufsehen sorgte der FPÖ-Abgeordnete Andreas Mölzer: Er verteidigte Putins Vorgehen: "Territoriale Veränderungen müssen möglich sein." Die FP will laut Mölzer auf Einladung Russlands als Wahlbeobachter auf der Krim auftreten. Die Chefin des französischen Front National und Wahlplattformpartnerin der FPÖ, Marine Le Pen, überlegt das noch. (André Ballin, Thomas Mayer, DER STANDARD, 13.3.2014)