Das für viele Undenkbare ist passiert: Uli Hoeneß ist auf dem Weg ins Gefängnis. Es ist ein Absturz, wie man ihn in Deutschland in dieser Form noch nicht gesehen hat. Und so mancher meint jetzt, das nicht rechtskräftige Urteil sei doch vielleicht ein wenig zu hart. Schließlich stehe der Bayern-Präsident ohnehin seit einem Jahr am Pranger und könne doch auch auf eine beachtliche Lebensleistung zurückblicken. Das jedoch ist Unsinn.

Dass dieser Fall auf so großes Interesse stößt, lag nicht in der Verantwortung des Gerichts. Hoeneß hat jahrelang den besserwisserischen Moralapostel gegeben, hat ausgeteilt und dabei immer vermittelt, seine Sichtweise sei das Maß aller Dinge. Dass gerade dann ein Fehlverhalten Beachtung findet, ist quasi Naturgesetz.

Für Hoeneß ist dies natürlich eine extreme Belastung. Deutschland aber hat sein Prozess kurioserweise einen Dienst erwiesen - nicht nur, weil sich die Staatskasse über einen erklecklichen Zufluss an Steuergeld freuen kann. (Es kursiert angesichts der mit jedem Tag höheren bekanntgewordenen Steuerschuld der Witz, dass noch drei Monate Prozess den deutschen Haushalt dauerhaft saniert hätten.)

Unfreiwillig trug der prominente Hoeneß dazu bei, die Folgen von Steuerbetrug anschaulich zu machen, gerade auch, weil es um so unfassbar hohe Summen geht. Dazu gehört etwa der Irrglaube, dass man sich als Vermögender seine eigenen Regeln machen kann. Er sei kein schlechter Mensch, habe ja auch fünf Millionen Euro gespendet, verteidigte sich Hoeneß vor dem Münchner Landgericht.

Fünf, von der Steuer abzusetzende, Millionen, denen 28,2 hinterzogene Millionen gegenüberstehen. Da bleibt einem die Luft weg. Bei dieser Summe ist auch klar, dass das Gericht mit seinem Urteil nicht einfach nur ein Exempel statuierte.

Das Urteil wird dazu beitragen die Steuermoral in Deutschland zu heben - was Hoeneß ja auch immer ein Anliegen war. Der oft bemühte Satz, dass sich Steuerbetrug nicht lohne, klingt jetzt deutlich anders. Vor Jahren hat Hoeneß' Strafverteidiger Hanns W. Feigen auch den ehemaligen Postchef Klaus Zumwinkel in dessen Steuerstrafverfahren vertreten.

Zumwinkel kam mit Bewährungsstrafe und Geldbuße deutlich besser davon. Gewiss, für viele war das alarmierend. Aber nicht so alarmierend wie eine nun sehr reale, bescheidene bayerische Gefängniszelle.

Es bleibt aber auch noch genug Arbeit für die deutsche Politik. Im Gegensatz zu Österreich hat Deutschland mit der Schweiz kein Steuerabkommen geschlossen, da SPD und Grüne die Möglichkeiten zur nachträglichen Reinwaschung für Steuerbetrüger als viel zu mild empfanden.

Der Fall Hoeneß gibt ihnen recht, denn Hoeneß wäre mit dem Abkommen finanziell besser und moralisch unbefleckt ausgestiegen. Man kann diese Linie natürlich beibehalten und auf eine nachträgliche pauschale Abgeltung verzichten. Aber dann müssten im Gegenzug mehr Steuerfahnder in Deutschland eingestellt werden, damit der Staat zu seinem Geld kommt.

Diskutiert wird in Deutschland auch, die Regeln für strafbefreiende Selbstanzeigen zu verschärfen. Es wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, etwas zu verändern. Denn für Steuerpolitik und Verfolgung von Verstößen ist immer noch die Politik zuständig. Sich alleine auf die abschreckende Wirkung des Hoeneß-Urteils zu verlassen wäre der falsche Weg. (Birgit Baumann, DER STANDARD, 14.3.2014)