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Die Winter sind hart und schneeweiß.

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Ende März gibt die Schneeschmelze in der portugiesischen Serra da Estrela den Blick auf herrliche Gletschertäler frei.

www.casadaspenhasdouradas.pt

Als Europa vor zehntausenden Jahren von Gletschern bedeckt war, schoben die Eismassen Steine vor sich her und rundeten sie dabei ab. Spuren dieses Kräftespiels kann man in Portugals Zentralmassiv, der Serra da Estrela, noch heute sehen. Die Gipfel sind mit riesigen, runden Findlingen übersät. Bei klarem Himmel glitzert der Quarz in den Steinen golden im Sonnenaufgang. Wer dieses Schauspiel verfolgen will, hat auf einer Veranda des Berghotels Casa das Penhas Douradas einen Logenplatz. Das Haus heißt wie der Ort: vergoldete Steine.

Die glitzernden Findlinge haben Portugals Tuberkulosekranke schon vor 130 Jahren gesehen. Hier oben auf 1500 Metern mussten sie das Bett hüten und Bergluft atmen. Eine kleine Kapelle erzählt, dass die Kur nicht allen half. Wer Geld und eine anfällige Lunge hatte, der baute sich ein kleines Ferienhaus zwischen den Glitzersteinen. Im Sommer verbringen auch die Bischöfe aus Lissabon, Coimbra und Porto hier ihre Ferien und plaudern auf einer Veranda miteinander, beim Nachmittagstee und in langen Ärmeln.

Diese beschauliche Art der Erholung wollen die Hoteliers Isabel Costa und João Tomás wiederbeleben. Ihr Haus steht in dem 1000 Quadratkilometer großen Naturpark Serra da Estrela, der ein dichtes Wegenetz hat. Die junge Forstingenieurin Joana Martins führt Gäste und erzählt ihnen Geschichten aus ihrer Heimat, die im Sommer lieblich ausschaut. Heidekraut blüht, Wacholder duftet, Gebirgsseen spiegeln die Sonne.

Gut gepolstert am Kamin

Im Winter sieht man hier nur Bäume, Steine und Hügel, alles schneeweiß. Man betrachtet sie am besten durch eine der großen Fensterscheiben in der Nähe eines der vier Kamine, die Isabel und João im Hotel einrichten ließen. Überall liegen Schurwolldecken herum, die Sessel und Sofas sind mit Webfilz gepolstert. Wer trotzdem noch kalte Füße hat, kann sich im Thermalbad aufwärmen oder bei einer Kräuterölmassage.

Früher war Isabel Managerin einer Supermarktkette, João war Anwalt. 2006 kauften sie das ehemalige Sanatorium in den Bergen, aus dem sie ihr Hotel mit 18 Zimmern und Suiten gemacht haben. So wollen sie auch den Menschen aus dem benachbarten Dorf Manteigas eine Zukunft geben. Der Ort soll nicht aussterben, wie so viele andere im Hinterland. Zwei Jeeps stehen für die 15 Angestellten bereit. Damit fahren sie täglich 40 Minuten rauf und wieder runter ins Dorf. Liegt zu viel Schnee, übernachten auch sie im Hotel.

Entworfen wurde das Haus vom portugiesischen Architekten Pedro Brígida. Er hat die Wände der Zimmer mit heller Birke vertäfelt und dick geknotete Wollteppiche verteilt. Frauen mit gesunden Gesichtern wischen den Staub von den hellen, schlichten Holzmöbeln, in der Früh servieren sie Kürbis- oder Apfel-Quitten-Marmelade, das Naturjoghurt steht im Schneebett auf dem Buffet. Nichts ist in Einzelportionen verpackt, man sieht kaum Plastik. Wenn man die Frauen anspricht, lächeln sie schüchtern. Vielleicht wundern sie sich, dass all das, was ihr Leben ausmacht, neuerdings Luxus ist: selbst gemachte Marmelade aus dem Garten, Honig aus den Bergen, Decken aus den Fabriken.

Das große Weben und Walken

Seit dem 12. Jahrhundert tragen die Dörfler Umhänge aus gewalktem Wollstoff, der hier Burel heißt. Nachts schlafen sie unter diesen beigefarbenen Schafwolldecken. Zehn Stofffabriken gab es früher in Manteigas, heute sind es noch drei kleine, zwei davon gehören seit 2010 Isabel und João. 17 Frauen und Männer arbeiten dort, weben, walken und nähen. Isabel vermarktet die Tücher und Stoffe bei Messen und Modeschauen. Japanische und britische Designer ordern Tweed und Doubleface aus Schurwolle, junge internationale Designer kommen ins Dorf, um dem Rohmaterial neue Formen und Farben zu geben.

Der Erfolg des Unternehmerpaares freut die Dörfler. Anfangs waren sie misstrauisch, jetzt geht alles schnell. Das Hotel ist für Wochen ausgebucht, und den Webern fehlt die Wolle. Weil es nur noch wenige Schäfer gibt, müssen Isabel und João nun Schurwolle im Süden Portugals und in Neuseeland kaufen. Vielleicht findet sich ja wieder Schafhirten, die zwischen Gletschertälern und Granitblöcken und mit Wolldecke über den Knien auf die Schneeschmelze in Portugal warten wollen. (Brigitte Kramer, DER STANDARD, Album, 15.3.2014)