An vielen Krebsgeschwüren beim Menschen sind Defekte an einem Regler namens SWI/SNF-Komplex schuld, der normalerweise steuert, dass Gene zur richtigen Zeit abgelesen werden. Wiener Forscher fanden nun heraus, dass er in Vorläufern von Nervenzellen ein Programm aktiviert, das ihre Teilungsfähigkeit beschränkt und sie sukzessive in Hirnzellen verwandelt, berichten sie aktuell im Fachblatt "Cell".

Gebremste Zellteilungs-Uhr

Das Team um Jürgen Knoblich vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) inspizierte dafür Fruchtfliegen, deren Gene für den SWI/SNF-Komplex gezielt ausgeschaltet waren. Bei solchen Larven überwucherten Krebsgeschwüre bald das ganze Gehirn, berichten die Forscher. Sie nahmen Zellen aus diesen Tumoren und untersuchten, welche Gene darin aktiv waren.

Dabei entdeckten sie, dass der SWI/SNF-Komplex in Stammzellen noch nicht aktiv ist. Sobald sie sich aber zu Vorläufern ("Transient amplifying cells") von Nervenzellen entwickeln, startet er ein Programm aus Proteinen (sogenannten Transkriptionsfaktoren), und sorgt so dafür, dass sich die Zellen über Zwischenschritte zu fertigen Nervenzellen entwickeln.

Gleichzeitig schaltet dieser Regler einen Eiweißstoff namens "Hamlet" ein, der die "Zellteilungs-Uhr" bremst und bewirkt, dass sie nur noch ein paar Mal "tickt" unddann gestoppt wird, so Knoblich. "Dies geschieht, indem diese 'Transit amplifying cells' nach jeder Zellteilung bestimmte Transkriptionsfaktoren einschalten und andere ausschalten", sagt Knoblich. 

Viele Leukämie-Patienten betroffen

Damit würde verhindert, dass sich diese Vorläufer-Zellen hemmungslos vermehren und einen Tumor bilden. "Hamlet" gäbe es auch bei Menschen, allerdings tritt er dort unter dem Pseudonym "Evi-1" auf. "Es ist bekannt, dass zum Beispiel bei Leukämie häufig auch Evi-1 mutiert ist", so die Forscher.

Fehlt der SWI/SNF-Komplex, entstünden aus den Stammzellen Nerven-Vorläuferzellen, die zwar aussehen wie spezialisierte Nervenzellen, sich aber unendlich oft teilen, so Knoblich. Dieses Verständnis über den Mechanismus, wie ein Tumor entstehen kann, sei wichtig, um gezielt Medikamente zu seiner Bekämpfung zu entwickeln. (APA, derStandard.at, 14.3.2014)