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Burgdirektor Matthias Hartmann streift sich ein letztes Mal das Sakko über: Seine Unmäßigkeit sollte den anderen eine Lehre sein.

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Franzobel: Hartmann als antike Heldenfigur? 

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Nun ist Matthias Hartmann also entlassen. Als erster Direktor in der 250-jährigen Burgtheater-Geschichte. Die Crux dabei ist, für die von offizieller Seite angeführten Gründe kann er wahrscheinlich gar nicht so besonders viel. Eine sich als Jeanne d'Arc gebärdende Geschäftsführerin, die in ihrer Hybris meint, im Alleingang das Theater retten zu müssen, eine schon länger gängige Praxis undurchsichtiger Buchführung, die übliche österreichische Herumwurstelei.

Als erfolgreicher künstlerischer Leiter hat ihn das alles wohl nie besonders interessiert. Manch anderem hätte man das auch verziehen. Selbst sein Nepotismus wäre noch zu übersehen gewesen. Hartmann aber hat sich eine Sünde geleistet, die unverzeihlich ist: die Gier.

Während er andere entlassen, zum Sparen verdonnert oder outgesourct hat, während er Löhne gekürzt hat, nahm er selbst ungeniert nicht nur seine fürstliche Jahresgage von 200.000 Euro, sondern hat sich gleich noch einmal so viel an Regiehonoraren ausbezahlt. Das Ganze ging so weit, dass er, der seit Jahren keine Stückaufträge mehr vergab, sich selbst ein Stück schrieb, das er unter seiner Direktion selbst inszenieren wollte, um zum Regiehonorar auch noch ein Autorenhonorar und Tantiemen zu kassieren. Das ist unverschämt.

Bürokratie der Anträge

Die Gier ist eine Todsünde, und die bestraft Gott sofort. Während jeder andere kleine Kulturschaffende x Anträge ausfüllen und unzählige Nachweise bringen muss, Glück und ein eigenes Konto braucht, um für ein selbstausbeuterisches Kunstprojekt 2000 Euro Förderung zu erhalten, während jede andere kleine Kultureinrichtung totgespart wird, ist Direktor Hartmann mal so eben mit 200.000 Euro im Plastiksackerl aus der Burg marschiert.

Es handelt sich hier um Steuergelder, und mit dem, was sich der Direktor so zusätzlich verdienen lassen hat, hätten die Existenzen von zumindest zehn Autoren, Schauspielern, Musikern grundgesichert werden können.

Die Gier ist ein Hund, eine Todsünde. Und Matthias Hartmann war, weshalb ihm wohl auch im Haus am Ring zum Schluss jeder Rückhalt fehlte, maßlos. Maßlos wie ein Mensch, der als Kind nicht geliebt worden ist, maßlos wie ein Mensch, dem das Urvertrauen fehlt.

Coolheits-Polizei

Nun ist einer der bestverdienenden Kulturschaffenden des Landes also fristlos entlassen. Man kann zwar nicht sagen, er steht vor dem Nichts, aber so schnell wird er die Beine wohl nicht mehr auf den Boden kriegen. Die Österreicher sind nachtragend und besonders die Coolheits-Polizisten der Wiener Szene lieben es, am Boden Liegende zu treten.

Seine Anwälte werden ihn viel Geld kosten, und ob seine Klage gegen die Republik etwas bringt, wage ich zu bezweifeln. Schließlich sind auch Gerichtsurteile nicht frei von gesellschaftlichen Stimmungen und politischem Willen. Ob es also einen tiefen Fall Hartmann gibt, der arme Heinrich so ins Maßlose nach unten fällt, wie er zuvor nach oben eilte, wird sich zeigen. Vorerst sieht es ganz danach aus.

Ohne Maß und Ziel

Das Ganze erinnert an eine antike Heldenfigur. Da ist einer, der zu hoch hinaus wollte, aber irgendwann vom Himmel geholt worden ist, um hart zu landen. In der antiken Mythologie folgt nun die Strafe - die Gegenwart hat Postings. Und warum? Auch wenn das offiziell wohl keiner zugibt, wegen seiner Gier, weil er Maß und Ziel verlor.

In jedem Fall sollte das allen anderen eine Lehre sein. Unmäßigkeit und Gier bestraft der Herrfraukindwasimmergott sofort. Gerade weil ich jetzt schon viele Mittelbühnen-Direktoren und Kulturgeschaffter sehe, die nervös neben ihrem Handy sitzen, gereizt ihren Lebenspartner wegstoßen ("Jetzt keine Bussi. Weg!") und auf einen ministerialen Anruf warten, um endlich auch einmal maßlos zu sein, gierig und groß. (Franzobel, DER STANDARD, 15./16.3.2014)