Das erlaubte Heiratsalter von neun Jahren für Mädchen ist nur eine der Ungeheuerlichkeiten, die im Entwurf des prämodernen irakischen Familienstandsgesetzes für Schiiten enthalten sind. Das Gesetz würde alle - vom Irak unterschriebenen - internationalen Frauenrechtskonventionen, aber auch Iraks Verfassung von 2005 brechen. Wobei diese wie viele Verfassungen islamischer Länder in der Frage zwiespältig ist, ob nicht doch das religiöse Recht über allem steht. Die USA, unter deren Ägide die Verfassung geschrieben wurde, hat das nicht gestört.

Von außen kann man nur entsetzt sein. Dennoch ist die Präzisierung erforderlich, dass etliche irakische schiitische Rechtsgelehrte - auch der wichtigste, Ayatollah Ali Sistani - argumentieren, dass der Irak prinzipiell ein ziviler Staat sein sollte und dass kein Gesetz gut sein kann, das die Konfessionsgruppen weiter spaltet: Es würde ja ausschließlich für Schiiten gelten. Hussein al-Sadr führt in einer Fatwa auch an, dass es für einen Staat grundsätzlich besser sei, Gesetze zu verabschieden, die einem internationalen rechtlichen Standard entsprechen.

Diese Argumente wischte der schiitisch dominierte Ministerrat vom Tisch, als er dem Vorschlag des aus der engstirnigen (und Sistani-feindlichen) Fadila-Partei stammenden Justizministers folgte. Noch hofft man auf das Parlament, dass es dem Irak, dem einstigen Leuchtturm für Entwicklung im Nahen Osten, diese neue Tragödie erspart. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 15.3.2014)