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Die Schwingungen zwischen Wladimir Putin und dem serbischen Präsidenten Tomislav Nikolic sind gut - und die russischen Investitionen in Serbien von gewaltigem Ausmaß.
Große Aufregung und rege Diplomatie um Putins Besetzung der Krim beherrschen derzeit die Weltpolitik. Putin hat sich aber im Laufe der letzten Jahre mit Serbien einen unversenkbaren Flugzeugträger geschaffen. Am Sonntag wird das Usurpatoren-Regime auf der Krim die Anschlussabstimmung abhalten, am selben Tag, für den auch in Serbien Parlamentswahlen angesetzt sind.
Die nur verbal europafreundlich umgefärbte Radikalenpartei mit ihrem nationalistischen Führer Tomislav Nikolic wird dabei ihren Vorsprung noch weiter ausbauen können, unterstützt von der Krise um die Ukraine. Er ist ja nur Stellvertreter des in Den Haag einsitzenden Parteiführers Vojislav Seselj, der aus dem Gefängnis die Partei lenkt. Und mit diesen Radikalen verhandelt die EU über die Mitgliedschaft, die jetzt nicht allzu nahe scheint - Brüssel spricht von realistischen zehn bis 15 Jahren.
Traum der nationalistischen Medien
Neuerdings hat sich der politische Wanderprediger Vuk Draskovic in ein Eckerl im Bett der Radikalen gelegt, damit er wieder an die Hebel und Töpfe der Macht kommt. Auch die Sozialisten und die Partei des früheren Ministerpräsidenten Kostunica, DSS, sind russlandfreundlich und werden von Putin finanziert. JUL, die vereinigten Linken von Milosevic-Ehefrau Mirjana Markovic, ist zahlenmäßig zu vernachlässigen, hat aber schon seit Milosevics Glanzzeiten die besten Beziehungen zu Russland, Frau und Sohn Milosevics sind Asylanten in Russland, der Bruder war Botschafter in Moskau und ist im Ölgeschäft tätig; JUL hat bei den Wahlen 1996 nur 1,6 Prozent bekommen, aber trotzdem sieben Ministerien besetzt.
Sie haben seither die Wirtschafts-, Militär- und Mafiabeziehungen zwischen Russland und Serbien intensiv ausgebaut. Was haben die letzten Regierungen nicht alles in Serbien, Montenegro und der Republika Srpska zusammengekauft! Die Oppositionsparteien sprechen von Ausverkauf. Die Liste ist lang und zeigt strategische Gesichtspunkte: Energie, Medien, Rüstung.
Die nationalistischen Medien - und es gibt fast keine anderen - träumen offen davon, mithilfe der Russen das Ergebnis der Konferenz von Kumanovo zu revidieren, als Milosevic im Juni 1999 den Abzug der serbischen Kräfte aus dem Kosovo unterschreiben musste. Was das hieße? Die Rückkehr in die Wiege des Serbentums.
Aus Montenegro ist zu hören, dass die Hälfte aller Investitionen von Russen getätigt werde, ganze Branchen fest in russischer Hand seien, von Banken über Bau bis zu Booten, und die Küste von Russen aufgekauft sei, ungeachtet dessen, dass die Regierung in die EU drängt - oder gerade deswegen, um die EU von hinten, das heißt vom Südosten her, zu infiltrieren.
Stolz und Trotz in Belgrad
Verrückt, paranoid? Die Serben meinen nicht, sondern ganz realistisch, hätten sie dieses Rezept doch schon vor dem Ersten Weltkrieg erfolgreich erprobt. In Belgrad kann man den stolzen und trotzigen Satz hören, die Schüsse eines serbischen Gymnasiasten hätten fünf Reiche einstürzen lassen.
Zu diesen Wahlen tritt eine neue Partei an, Dveri ("Türen") besteht aus Teilen des alten KOS, des militärischen Geheimdienstes, die in ihrem Programm offen bekennen, dass das Programm von Dveri das von Putin sei. Außer Teilen der Demokratischen Partei DS des vor elf Jahren ermordeten Ministerpräsidenten Zoran Djindjic sind praktisch alle Parteien russlandfreundlich oder direkt von Putin bezahlt. Die extrem nationalistische serbisch-orthodoxe Kirche ist selbstredend eng mit dem großen slawischen Bruder verbunden.
Sammler serbischer Länder
Der abscheuliche Demagoge Milorad Dodik, langjähriger Vorsitzender der großserbischen Partei in der Republika Srpska, dem zweiten Teilstaat Bosnien-Herzegowinas, bekennt sich schon lange und offen zur Russland-Achse, mit deren Hilfe er das verhasste Dayton-Regime abzuschütteln hofft, das die Vereinigung mit Serbien bisher verhindert hat.
Auch er ist nur der in Freiheit herumlaufende Stellvertreter des inhaftierten, des Völkermordes angeklagten Radovan Karadzic, der sich immer als der "Sammler der serbischen Länder und des serbischen Piemont" verstanden hat. Im Schatten der Ukraine-Krise könnten Serbien und die RS versuchen, neue Tatsachen zu schaffen, ganz genau so, wie es der große Bruder Putin mit der Krim vorexerziert hat.
Es wäre wichtig, dass die europäische und internationale Öffentlichkeit über der Krim-Krise nicht den intensiven Blick vom Balkan abwendet. Man sollte gerade im Gedenkjahr nicht vergessen, dass es vor 100 Jahren der serbische Irredentismus war, aufgestachelt und unterstützt vom zaristischen Russland, der als der dritte Balkankrieg begann und den Ersten Weltkrieg zumindest mit ausgelöst hat. (Veronika Seyr, DER STANDARD, 15.3.2014)