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Medikamentenabgabe: komplizierte Regeln nach der Zahl der Bevölkerung und nach Straßenkilometern

Foto: Daniel Kopatsch/dapd

Zürich/St. Pölten - In der Österreichischen Ärztekammer wird an einem Plan zur beschränkten Arzneimittelabgabe bei jedem teilnehmenden niedergelassenen Arzt gefeilt. "Es gibt ein fertiges Konzept", sagte Christoph Reiser, NÖ-Kammerpräsident, am Samstag bei einer von der Standesorganisation veranstalteten Pressereise in Zürich.

Derzeit ist in Österreich die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln über die öffentlichen Apotheken und die ärztlichen Hausapotheken organisiert. Sowohl bei den Apotheken-Konzessionen als auch bei der Abgrenzung zwischen Apotheken und Hausapotheke existieren komplizierte Regeln nach der Zahl der Bevölkerung und nach Straßenkilometern.

Laut Reisner läuft der neue Plan unter dem Titel "Dispensierrecht für Ärzte": "Ich habe schon im Jahr 2006 ein solches Konzept erstellt." Dieses sei in einer eigenen Kammer-Arbeitsgruppe adaptiert worden. "Das Konzept ist in der letzten Bundeskuriensitzung der niedergelassenen Ärzte beschlossen worden", sagte der Standesvertreter.

Keine Konkurrenz für Apotheken

Der Plan sieht eine dritte "Schiene" für die Arzneimittelversorgung der österreichischen Bevölkerung vor. "Es handelt sich vor allem um die Service-Funktion", betonte Reisner. Jeder niedergelassene Arzt - ob Kassen- oder Wahlarzt - soll das Recht bekommen, "20, 30 oder 40" verschiedene Medikamente direkt an seine Patienten abgeben zu können. Für bestimmte Fachärzte würde man eigene Listen erstellen. Es handle sich um eine Ergänzung, nicht um eine Konkurrenz zu öffentlichen Apotheken (mehr als 1.300 in Österreich) oder zu den ärztlichen Hausapotheken in ländlichen Regionen (rund 900).

Die Versorgung der Ärzte mit den Medikamenten müsse erst geklärt werden, meinte Reisner: "Uns ist es primär egal, woher die Medikamente kommen." Ob sie der Arzt über Apotheken etc. kaufe oder von der Sozialversicherung zur Verfügung gestellt bekomme, sei dabei nicht relevant.

Der NÖ-Ärztestandesvertreter sprach von einem Einsparungspotenzial: "Damit könnte man die Apothekenspanne ersparen und das System verbilligen." Das Honorar der auf freiwilliger Basis teilnehmenden Ärzte sollte nicht auf dem Umsatz beruhen. Der Arzt sollte nicht aus der "Spanne" entlohnt werden, sondern "für die Dienstleistung ein Honorar" erhalten. Damit könne auch nicht der Vorwand entstehen, dass Rabatt-Geschäfte einreißen könnten oder nur das verschrieben werde, was entsprechend Gewinn bringe. Entlohnt würden Lagerhaltung, Logistik, Beratung und Service.

Reisner äußerte sich zuversichtlich über die Umsetzungsmöglichkeiten: "Ja, ich habe das schon 2006 für realistisch erachtet. Es ist eine neue Sache zur Medikamentenabgabe." Man müsse dazu am österreichischen Apothekengesetz nur "ganz wenig ändern." Umfragen hätten gezeigt, dass sich selbst in einer Großstadt wie Wien rund 50 Prozent der Bevölkerung für die Abgabe von Arzneimitteln beim Arzt aussprechen.

Mit einem solchen System, so Max Wudy, stellvertretender Obmann der Kurie der niedergelassenen Ärzte in der NÖ-Kammer, ließen sich auch skurrile Situationen an Wochenenden und bei Nachtdiensten im ländlichen Bereich vermeiden. Behandle ein Arzt mit Hausapotheke via Hausbesuch einen Patienten, erhalte dieser das Medikament sofort. Habe ein Kollege ohne Hausapotheke im Hintergrund Dienst, sei das nicht möglich. 

Apothekerkammer dagegen

Gegen die Medikamentenabgabe beim Arzt hat sich am Samstag Martin Hochstöger, Präsident der Apothekerkammer Tirol, ausgesprochen. Ein Systemwechsel würde nichts bringen und zulasten der Patienten gehen. Die flächendeckende Versorgung mit Apotheken wäre damit in Österreich gefährdet.

Wieso Mediziner jetzt die Aufgaben der Apotheker übernehmen und Medikamente in den Ordinationen verkaufen wollen, "ist aus gesundheitspolitischer Sicht nicht nachvollziehbar", so Hochstöger. Die Schweiz sei ein "denkbar unglückliches" Vorbild. "Die Medikamentengabe in Ordinationen hat dort deutliche Mehrkosten für die öffentliche Hand verursacht", argumentierte Hochstöger.

Die Universität Bern habe in einer Untersuchung nachgewiesen, dass der Medikamentenverkauf durch Ärzte die Medikamentenkosten um 30 Prozent und die Behandlungskosten um 20 Prozent erhöht. "Dieser Kostenanstieg wird in der Schweiz direkt auf die Bevölkerung umgewälzt und führt daher direkt zu einer Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge", hieß es in einer Aussendung von Hochstöger.

Das Kostenargument sei nur ein Aspekt. So wurde im Kanton Aargau (und acht weiteren Kantonen) das Dispensierrecht der Ärzte verboten, weil im Zuge einer Volksbefragung 2013 die Abstimmung mit einer deutlichen Mehrheit von über 60 Prozent gegen einen Medikamentenverkauf der Ärzte ausging, berichtete Hochstöger. Im Aargau sei man damals zur Erkenntnis gekommen: "Die Regel 'wer verschreibt, verkauft nicht', ist nicht nur für die Sicherheit der Patienten von großer Bedeutung, sondern auch für die Kostenstabilität des Gesundheitssystems von größter Relevanz." (APA, 15.3.2014)