Wien - Ziemlich schade, dass er wegzieht: Der Chef des Tonkünstler-Orchesters, der Kolumbianer Orozco-Estrada, ist nicht nur zum gefragten Einspringer geworden, so es etwa bei den Wiener Philharmonikern darum geht, einen Dirigentenausfall spontan zu kompensieren. Orozco-Estrada wird ab der Saison 2014/15 auch Musikdirektor des texanischen Houston Symphony Orchestra wie auch Chefdirigent beim deutschen hr-Sinfonieorchester - als Nachfolger von Paavo Järvi.

Man wird sehen, welche Qualitäten Nachfolger Yutaka Sado entfaltet. Sicher wird jedoch Orozco-Estradas sympathisch vermittelte Energie abgehen, auch ein analytischer Zugang zur Partitur, der sich nicht zu gut ist, die eigene Emphase bei Bedarf durch historische Informiertheit anzureichern.

Im Wiener Musikverein erweckt er Beethovens 6. Symphonie also nicht als harmlose Schönheit. Die Pastorale wird flott umgesetzt, im ersten Satz knapp phrasiert und schlank angelegt. Im Zweiten schimmert es zwar zart-silbrig. Dennoch herrscht auch hier eine gewissermaßen entschlackte Grundatmosphäre vor, der aber große Prägnanz bei Phrasenumsetzung zur Seite steht. Bemerkenswert auch die Kompaktheit des Ganzen, zumal beim dramatischen Höhepunkt: Packend, wie die Gewitter- und Sturmszene inszeniert wird; regelrecht schrill gerät die Unmittelbarkeit mancher Passagen.

Da war ein vitaler Beethoven zu hören, was von der Diktion her eine Fortsetzung jener Stilansinnen war, die beim 4. Klavierkonzert mit Lars Vogt dominierten. Anders als unlängst das Trio Christian Thielemann, Staatskapelle Dresden und Pianist Radu Lupu, die das Werk romantisch deuteten, herrscht hier eine diesseitige, drängende Stilistik. Zudem spielte Vogt seine Ausdrucksideen delikat-leicht aus.

Wie auch bei der Fantasie für Klavier, Chor und Orchester c-Moll: Mit dem soliden Salzburger Bachchor wurde dieser seltsame vokal-instrumentale Mix kontrastreich angelegt. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD, 17.3.2014)