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Die Anklagebank.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Der heute, Montag, startende Schlepperei-Prozess (siehe Liveticker) gegen acht Männer, vier davon Flüchtlinge, die sich an dem Asylwerber-Protesten beteiligt hatten, welche im Herbst 2012 mit einem Marsch vom Erstaufnahmezentrum Traiskirchen nach Wien begannen, ist kein Null-Acht-Fünfzehn-Verfahren. Das lässt sich mit gutem Gewissen schon ganz zu Beginn sagen.

Vielmehr ist bei diesem Gerichtsgang die Aufmerksamkeit der kritischen Öffentlichkeit gefragt: Ähnlich wie es bei einem anderen Verfahren im März 2010 vorab ebenfalls war: Dem Tierschützerprozess, der 13 Tierrechtsaktivistinnen und -aktivisten  als Mitglieder einer angeblichen kriminellen Organisation nach Paragraf 278a StGB sowie wegen anderer Vorwürfe vor den Kadi brachte. Wie die aktuelle Causa fand auch der Tierschützerprozess am Landesgericht in Wiener Neustadt statt: ein Zufall, aber eine Notiz wert.

Am Rand der Gesellschaft

Die mutmaßlichen Schlepper lebten, die meisten als Asylwerber, am Rand der österreichischen Gesellschaft, bevor sie ins Fadenkreuz polizeilicher Ermittlungen gerieten. Die Antipelz- und Antijagd-Kampagnisierer hingegen in deren Mitte: Die politischen Aktivitäten der mehrheitlich aus bürgerlichen Kreisen stammenden Beschuldigten hatte ihnen den Zorn von pelzverkaufenden Textilfirmen und Vertretern der heimischen besseren Gesellschaft auf sich gezogen. Wo liegen da die Ähnlichkeiten?

Etwa darin, dass beide Anklagen im Umfeld politischer Bewegungen erhoben wurden, die sich jeweils recht hartnäckig und für die, die sie kritisierten, lästig gebärdeten. Im Fall der Tierschützer war das offensichtlich: Die, die vor Gericht standen, waren mit jenen identisch, die - um ein Beispiel zu nennen - vor Textilfirmenfilialen umsatzverringernde Infostände aufgestellt hatten.

Ausgelöster Schock

Im Fall der nunmehr Schleppereiverdächtigen stammt lediglich die Hälfte der Angeklagten direkt aus dem Milieu der gegen Missstände im Asylbereich protestierenden Flüchtlinge. Doch der bei Unterstützern durch das Bekanntwerden der Ermittlungen ausgelöste Schock war ähnlich jenem, der sich verbreitete, als zehn Tierschützer in U-Haft kamen: Welch Fanal gegen vermeintliche Blauäugigkeit und "Gutmenschigkeit" - im Fall der "Refugees" unter anderem bei der Caritas.

Im Tierschützerverfahren fußte der erhobene Verdacht, die beschuldigten Aktivistinnen und Aktivisten seien Teil einer kriminellen Vereinigung, auf ausführlicher Bespitzelung aller Telefon- und Internetkontakte und dem Einsatz der verdeckten Ermittlerin "Danielle Durand". Als deren Existenz und die Ergebnislosigkeit ihres Wirkens bekannt wurden, brach die Anklage in sich zusammen. Auch im Schlepperprozess gegen die großteils pakistanischen Asylwerber werden umfangreiche Protokolle von Telefonüberwachungen eine wichtige Rolle spielen.

Überwachung

Im Tierschützerverfahren hätten die Überwachungsmaßnahmen und der Spionin-Einsatz zumindest Hinweise auf hierarchische Befehlsstrukturen und eine konzertierte, mafiaähnliche strategische Planung der gesetzten Aktionen bringen müssen, um zu einer Verurteilung nach Paragraf 278a beizutragen. Das ist beim Schlepperprozess anders: Für eine Verurteilung der acht Schleppereiverdächtigen würde ausreichen, wenn sich aus den Telefonprotokollen ergibt, dass in Zusammenwirken mit weiteren, in anderen Ländern tätigen Personen wirklich Menschen nach Österreich gelotst wurden, die für diese Dienste zahlten.

Tatsächlich stellt Paragraf 114 Fremdenpolizeigesetz jede Art von Fluchthilfe unter Strafe, die auf einer Gegenleistung der Transportierten basiert. In etlichen aufgrund dieser Bestimmung durchgeführten Prozessen wurden schon bisher minimalste Entgelte als "unrechtmäßige Bereicherung" gewertet, was zu Verurteilungen führte.

Der Paragraf

Rasch war man auch bisher schon mit dem Vorwurf der Gewerbsmäßigkeit bei der Hand, was in Verbindung mit der Schleppung oder Fluchthilfe für eine "größere Zahl von Fremden" eine Strafandrohung von bis zu zehn Jahren Haft zur Folge hat. Dazu müssen gar keine Menschenrechtsverstöße während der Schleppung im Spiel gewesen sein: Nicht nur die skrupellosen Geschäftemacher am abschottungsbedingten Flüchtlings- und Migrantenelend riskieren langanhaltenden Freiheitsentzug! (Irene Brickner, derStandard.at, 17.3.2014)