Lahr - Die lange Gefangenschaft der Sahara-Geiseln hat nach Expertenansicht zu einer hohen körperlichen und seelischen Belastung geführt. Die Geiseln müssten auch in den kommenden Wochen mit einem enormen psychischen Druck rechnen, sagte Martin Jakubeit, Polizeipsychologe bei der Bereitschaftspolizei im baden-württembergischen Lahr, am Montag in einem dpa-Gespräch. In vielen Fällen litten Geiseln ihr ganzes Leben lang unter den psychischen Folgen einer derart langen und extremen Gefangenschaft.

Schlaflosigkeit und Angstattacken

Bisherige Forschungen hätten ergeben, dass in solchen Fällen ein bedeutender zweistelliger Prozentsatz der Betroffenen zeitlebens unter entsprechenden Erfahrungen leidet. Zu den Folgen könnten Schlaflosigkeit, Angstattacken oder schwere Konzentrationsstörungen zählen. Befreite Geiseln "müssen damit rechnen, dass sie auch in Alltagssituationen plötzlich von Schreckensbildern heimgesucht werden", sagte Jakubeit. Es sei daher notwendig, die in der Geiselhaft gemachten Erfahrungen zu verarbeiten.

"Hilfe nicht aufdrängen"

"Psychologische Hilfe sollte angeboten, aber nicht aufgedrängt werden", sagte Jakubeit. Bei machen Geiseln sei es denkbar, dass sie erst Monate nach der Befreiung über ihre Geiselhaft sprechen wollen. Eine große Bedeutung komme dem privaten Umfeld zu. "Angehörige müssen sich bereit halten, damit die Opfer immer und immer wieder über ihre Erlebnisse sprechen können." Derartige Gespräche "nehmen den Druck von der Seele", sagte Jakubeit.

Bei den Geiseln handle es sich sicherlich nicht um "08/15- Touristen", sagte Jakubeit weiter. "Besonders labile Persönlichkeiten würden sich einem solchen Urlaub in einer nicht ungefährlichen Region und unter den extremen Wetterbedingungen sicherlich nicht aussetzen." Entsprechend könnten sie mit der Situation möglicherweise besser fertig werden. Durch den Tod einer Geisel habe sich aber der psychologische Druck auf die anderen Entführungsopfer erheblich erhöht.

"Kontakt halten"

Für die Verarbeitung sei es wichtig, dass die Geiseln den Kontakt mit anderen Opfern aufrechterhalten, sagte Jakubeit. Denn hier treffe die Regel "geteiltes Leid ist halbes Leid", zu. Eine gemeinsame Verarbeitung der durch die Geiselhaft erlittenen Folgen könne daher erfolgreicher sein als Einzelgespräche. (APA)