Digitalisierung bedeutet nicht immer Beschleunigung. Im Fernsehen kann es durch die neue Technik nämlich auch zu Verzögerungen kommen. Dieses und weitere Mysterien aus der Welt des TV werden im Folgenden aufgeklärt.

Das "ZiB"-Phänomen

Wer zwanghaft zappt, stößt auf das "ZiB"-Phänomen. Obwohl die Sendung auf beiden ORF-Kanälen gleichzeitig laufen sollte, erkennt man beim Hin- und Herschalten, dass oft zwei bis drei Wörter Verzögerung herrschen. Der Grund laut ORF-Technik: Digitale Signale werden aufbereitet und teilweise komprimiert (MPEG u. a. Standards) und über digitale Verteilnetze verschickt, am Empfangsort decodiert und ausgestrahlt. Dies kann sich bis zu einer halben Sekunde Zeitdifferenz summieren. Bei der "ZiB" liegt das Problem nun daran, dass die Signale für ORF 1 und 2 bereits im ORF-Zentrum getrennte Wege gehen. So entsteht die Drei-Wörter-Verzögerung bereits an der Quelle.

Das Kabel-Paradoxon

Noch verwirrender wird die Sache, wenn man auf einem TV-Gerät via Kabel fernsieht und in einem anderen Raum terrestrischen Empfang nutzt. Hier kann die Verzögerung noch länger werden. Zumindest in Wien liegt es daran, dass die Telekabel die Bilder direkt aus dem ORF-Zentrum bezieht und in ihrem eigenen Netz weiterverteilt. So sind sie meist schneller auf dem Schirm als beim terrestrischen Empfang.

Die Torjubel-Frage

Interessant auch die Frage, ob Zuseher in Bregenz ein Tor bei einer Live-Übertragung aus Wien später sehen als die Wiener. Bei Empfang via Antenne sehen es alle Kunden gleichzeitig, erklärt die ORF-Technik. Die Signale aus dem Stadion werden im ORF-Zentrum aufbereitet, über Glasfaserkabel zu den Sendestationen geleitet und dort zeitgleich ausgestrahlt.

In Glasfaserkabeln werden aber nur 60 bis 80 Prozent der Lichtgeschwindigkeit im Vakuum erreicht. Umgelegt auf die Entfernung Wien-Bregenz bedeutet dies, dass Vorarlberger beim Finale der EM 2008 um 0,003 Sekunden später in Jubel ausbrechen werden. (Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe, 18. 8. 2003)