Tübingen/Troja - Der Streit um die Ausdehnung des historischen Troja geht weiter. Der Tübinger Ordinarius für Alte Geschichte, Prof. Frank Kolb, warf am Montag dem Troja-Ausgräber Prof. Manfred Korfmann "Trojanische Schaumschlägereien" vor. Kolb berief sich unter anderem auf Korfmanns Feststellung vor einer Woche in Troja, dass in der späten Bronzezeit (1750-1200 vor Christus) "die Unterstadt mit 270.000 Quadratmeter umwehrter Fläche 13 mal größer war als früher angenommen". Dazu sagte Prof. Kolb in Tübingen, "in Wirklichkeit hat Korfmann nur wenige Hausreste aus zeitlich verschiedenen Siedlungsschichten ergraben".

Aktueller Anlass

Korfmann hatte am vergangenen Montag nach Beendigung seiner 15-jährigen Grabungsarbeiten in Troja erklärt: "Im 13. Jahrhundert vor Christus war Troja keineswegs von geringerer Bedeutung, wie man früher dachte. Das Gegenteil ist der Fall". Korfmann hatte darauf verwiesen, dass "ein ganzes Stadtviertel der Unterstadt im Südwesten außerhalb der Burg freigelegt wurde".

Darauf kontert Kolb: "Auch nach dem Ende von Korfmanns Grabungen verfügt man über keine klaren Anhaltspunkte für Ausdehnung und Einwohnerzahl der Siedlung". Und er legt nach: "Korfmann hofft anscheinend, durch ständiges Wiederholen unzutreffender Behauptungen die Öffentlichkeit beeinflussen zu können".

Ins Detail

Ein weiterer Streitpunkt zwischen den beiden Tübinger Professoren Korfmann und Kolb sind die von Korfmann vorgelegten Grabungs-Erkenntnisse, "dass die äußere Begrenzung der Unterstadt von Troja durch einen 1,5 bis zwei Meter in den Untergrundfels eingetiefter über drei Meter breiter Graben" festgelegt war. Kolb zweifelt diese Feststellung entschieden an. "Die von Korfmann als Verteidigungsgräben gedeuteten, nur zwei bis drei Meter breiten Anlagen umschließe nicht das Siedlungsareal und dienten wahrscheinlich als Entwässerungsgräben oder Wasserreservoire", stellt Kolb fest.

Kolb hatte bereits vor zwei Jahren den Wissenschaftler-Krieg um die Größe Trojas entfacht. Schon damals hatte er Korfmann "Irreführung der Öffentlichkeit" vorgeworfen, wenn er Troja als "große und bedeutende Stadt" bezeichne. Jetzt legt Kolb nach und warf Korfmann "unseriöse Aussagen" zu Troja vor, die "niemand mehr ernst nehmen sollte". Korfmann seinerseits, der als einziger eine Grabungslizenz der türkischen Regierung für Troja besitzt, hatte als eines "der wichtigsten Forschungsergebnisse seiner 15-jährigen Grabungsarbeit "die neue Größe Trojas" bezeichnet.

Vor Ort

Kolb war nach eigenen Angaben im Jahr 1989 und später im Frühjahr 1997 in Troja. Er sei von Korfmann über das Gelände geführt worden. Korfmann selbst hatte vor zwei Jahren zu Beginn des Streits über die Größe Trojas Kolb aufgefordert, "sich vor Ort in Troja ein Bild über die neuesten Ausgrabungen zu machen".

Korfmann, der nach Heinrich Schliemann Troja wieder in die Öffentlichkeit holte, hat mit seiner Mannschaft das unter Schutt und Ackerland liegende Troja durch die Freilegung von Türmen und Burganlagen wieder sichtbar gemacht. Mit 370 Wissenschaftlern hat Korfmann, der als profundester Troja-Kenner gilt, 13.240 Quadratmeter Troja-Boden Zentimeter für Zentimeter durchsucht. (APA/dpa)