Wien - Mit dem Angebot einer vorzeitigen Vertragsauflösung Anfang 2004 geht die "Causa Struzl", die das heurige Sommerloch auf den Wirtschaftsseiten gefüllt hat, in das Finale. Am 19. September wird der ordentliche Aufsichtsrat der voestalpine AG das Rücktrittsangebot von Struzl wohl annehmen. Am 24. Juli hatte ein auf Struzls Wunsch einberufener außerordentlicher Aufsichtsrat Struzl noch das Vertrauen ausgesprochen. Seither kam die Sache aber nicht mehr zum Ruhen, und heute Dienstag hat Struzl nach einer Aussprache mit Aufsichtsratspräsident Rudolf Streicher das Handtuch geworfen.

Der mit gehöriger Zeitverzögerung aufgerollte "Fall Struzl" schien für die Beteiligten Ende März 2003 "gelaufen", als ein Insiderverfahren gegen den voestalpine-Chef wegen privater Aktienkäufe von Anfang Juli 2002 eingestellt worden war. Struzl, damals Aufsichtsratspräsident des Weichenherstellers VAE, der in der Folge zur Gänze von voestalpine übernommen worden war, hatte damals, nach eigenen Angaben "sofort als ihm die Problematik der schiefen Optik gekommen" sei, Kontakt mit seinem Aufsichtsratspräsidenten Streicher aufgenommen. Am 26. Juli 2002 gab es eine Aussprache mit Streicher unter Beiziehung von Juristen.

Noch am selben Tag verzichtete Struzl auf die Verfügungsgewalt über 3.000 erworbene Aktien des Eisenbahnzulieferers VAE und den massiven Kursgewinn daraus von 250.000 Euro. Am selben Tag habe Struzl die Aktienkäufe auch an die Finanzmarktaufsicht (FMA) und unmittelbar danach an den ÖIAG-Vorstand, namentlich den stellvertretenden Aufsichtsratspräsidenten der voestalpine, Rainer Wieltsch, gemeldet.

Das Verfahren gegen Struzl wegen Insidertrading wurde im März 2003 eingestellt, ohne dass der Fall an die Öffentlichkeit kam. Struzl führte im Zuge einer "Diversion" (außergerichtliche Einigung) wegen Nichtmeldung seiner Aktienkäufe (ein Verstoß gegen das Börsegesetz) 50.000 Euro an den Bund ab und spendete den gesamten Kursgewinn für karitative Zwecke.

Ins Rampenlicht kam der an sich abgeschlossene Fall erst, nachdem die voestalpine in eine massive Privatisierungsdebatte geraten war, als ein Magazinbericht Geheimverhandlungen mit dem Magna-Konzern von Frank Stronach aufspürte, dem zumindest Teile des erfolgreichen Stahlkonzerns in sein Strategiekonzept passen würden. Struzl wandte sich gegen den Verkauf an einen strategischen Partner, da er eine spätere "Filetierung" des Konzerns befürchtete.

Als die Insidergeschichte einen gehörigen Wirbel in der Öffentlichkeit auslöste, versuchte Struzl mit Hilfe eines Anwaltes noch eine persönliche Reinwaschung. Er kam aber mit seiner Argumentation nicht durch, dass er vom Insiderhandel freigesprochen worden sei. Die Staatsanwaltschaft beharrte auf dem Insidervorwurf, das Verfahren gegen Struzl sei nicht eingestellt worden, obgleich dieser Gegenteiliges behauptet hatte.

Daraufhin versuchte Struzl, der zuvor einen Rücktritt immer ausgeschlossen hatte, eine Reinwaschung durch den Aufsichtsrat und stellte am 8. August in einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung die Vertrauensfrage. Der Aufsichtsrat sprach ihm einstimmig das Vertrauen aus, da "Insidermerkmale nicht eingetreten" waren, wie Aufsichtsratschef Streicher erklärte.

Die Kritik an der Aufsichtsratsentscheidung war daraufhin massiv. Der Kapitalmarktbeauftragte der Bundesregierung und frühere OMV-Generaldirektor, Richard Schenz, kritisierte, dass es in Österreich kein Unrechtsbewusstsein für den Tatbestand des Insiderhandels gebe und sprach sich für den Rücktritt von Struzl aus.

Einen neuen Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung heute Dienstag, als Justizminister Dieter Böhmdorfer (F) im Radio erklärte, die Staatsanwaltschaft prüfe auf den Verdacht unzulässiger Absprachen zwischen Struzl und dem voestalpine-Aufsichtsrat, insbesondere Präsident Streicher. (APA)