Lang ist es einem ja wurst. Da wünscht man sich einen McDonald's in die Heimatgemeinde, in den 1980ern jedenfalls. Da erfreut man sich an selbst angesetztem Nussschnaps, richtigem, schwarzem Kritzendorfer Ribiselwein, vielleicht ab und zu ein paar Schwarzwurzeln oder krautgefüllte Paprika beim Heurigen, Schinkenkäsetoast im Stammcafé und möglichst dick belegte Pizza. Und man zieht in die nächstgrößere Stadt, bevor man gutes und dann auch bald wirklich gutes Essen als Freude des doch immer erwachsener Werdens entdeckt. Insofern gibt es wirklich weit Schlimmeres, als in Klosterneuburg aufzuwachsen. Auch kulinarisch.

Bei gelegentlichen späteren Visiten konnte man immerhin da und dort schön beim Heurigen sitzen und ganz gute Trinkunterlagen konsumieren, noch daer und dorter vielleicht auch den Wein mögen. Zwischendurch gab es ambitionierte Versuche, aus dem Stiftskeller ein anständiges Lokal zu machen, Schüttkasten hieß das dann und bereitete mir bei einem Versuch vor Jahren keine wirkliche Freude. Und der Preisecker Franz in Kritzendorf hat ja leider schon Ewigkeiten zu.

Nett sitzen

Vielleicht tu ich Klosterneuburg ja Unrecht, vom Durchfahren und kaum mehr Stehenbleiben. Angeblich soll ja die Vinothek Zimmermann ziemlich okay sein, jedenfalls sitzt man dort im Sommer sehr nett, höre ich. Das tut man jedenfalls beim Ubl-Doschek, vielleicht hab ich den hier ja schon erwähnt. Wenn nein, dann zu Unrecht.

Also: Wenn Sie etwas empfehlen können in Klosterneuburg: nur herbei! Meine nicht wenigen Scouts dort jedenfalls schweigen bisher beharrlich. Selbst vom Markgraf musste ich aus der Profigastrokolumne von Severin Corti erfahren. Freunde, so geht's nicht weiter! Oder habt ihr euch nicht getraut, mir den Markgraf zu empfehlen? Warum eigentlich?

Milz auf Verlangen

Womöglich, weil er keine inneren Werte auf der Karte zeigt? Ihr irrt: Milzschnitten gibt's auf Verlangen in der Rindsuppe. Und Knochenmark im Wiener Suppenteller, wie sich's für ordentliche Suppenteller gehört. Blöd, dass ich beide Einträge erst jetzt seh, Stunden nach Kaffee und Zahlen.

Ich ließ die Suppen links liegen, vermutlich ein Fehler, und entschied mich, quasi als Tribut an die Fastenzeit, wie sie der Österreicher gern versteht, für ein sehr angenehmes Matjestatar auf Rahmapfel, das jedenfalls war nicht falsch.

Foto: Harald Fidler

Die Rahmapfelkombi erfreulich frisch und vergleichsweise leicht. Der Mini-Erdäpfelpuffer obendrauf war mir dann ein bisserl zu cremig und zuwenig puffrig, aber das gehört schon in die Welt des Zwänglertums.

Loben darf ich drei fleischfreie Hauptgänge auf der Karte, wiewohl keiner so richtig ohne Tierprodukte, scheint mir. Aber seit wann würd mich das stören? Ich übersprang sie wie zweimal Fisch, wobei mich der Saibling durchaus interessiert hätt'. Warum ich schon wieder die Karte referiere? Ich konnte sie nicht rauf- und runteressen und versuche, auch einen Eindruck über das übrige Angebot zu vermitteln.

Viermal Landtier, zweimal Panier

Viermal Fleisch noch: gebratener Lammrücken, muss wohl sein in der Abteilung gehobenes Landgasthaus in besserer Gegend, mit Erdäpfelgratin, schwarzen Thymianoliven und Ratatouillestrudel. Kalbsrahmgulasch durchaus schlüssig, wenn man sich in dieser Gegend Wirtshaus nennt, wiewohl schon ein recht modern gestaltetes. Und zweimal Panier: Wiener vom Kalb – mit Preiselbeeren und Erdäpfelsalat – und: Altwiener Backfleisch mit Erdäpfel-Vogerlsalat.

Foto: Harald Fidler

Wer diese kleine dreckige Amateurkolumne häufiger als keinmal gelesen hat, weiß: Wenn ich was nicht mag, dann Panier. Ich reiste schon beinahe empört aus dem Piemont ab, weil man mir die Steinpilze tatsächlich (wie angekündigt) panierte. Beinahe bezieht sich da aufs Abreisen, nicht auf empört, wie Ihnen gewiss aus den vergangenen 200 Erwähnungen geläufig ist. Warum also hier Panier?

Natürlich weil in diesem Schmeck's-Eintrag die Wunderbare noch fehlt. Die hat mich für eine ganze lange Weile, eine viel zu lange nämlich, allein bei Tisch gelassen. Und weil ich mich vor Sehnsucht verzehre und sie für ihr Leben gern Paniertes, verzehre ich also: Backfleisch. Um sehr erstaunt festzustellen: Wenn man panieren kann, kann Panier um's rosa Beiried sehr gut funktionieren.

Manche Dinge brauchen offenbar eine gewisse Reife. Es ist eben nicht alles so einfach zugänglich wie Beuschel oder Bruckfleisch. Nun also auch noch Panier. Ich seh schon: Bald bestell ich freiwillig Dessert. (Harald Fidler, derStandard.at, 18.3.2014)