Als die ersten Klagen der Meinl- und Immofinanz-Anleger die Erstgerichte erreichten, warf dies eine Reihe von Rechtsfragen auf: Wann haftet der Anlageberater, wann die Bank, und in welchen Fällen bleibt der Anleger auf seinem Verlust sitzen? Auch nach einer Vielzahl von Einzelurteilen sind diese Fragen nicht abschließend beantwortet und sorgen weiterhin für rege Diskussionen.

Wertpapierdienstleister sind gesetzlich dazu verpflichtet, ihren Kunden angemessene Informationen (im gesetzlichen Mindestumfang) in verständlicher Form zur Verfügung zu stellen. Dadurch müssen Kunden in der Lage sein, die Art und die Risiken der jeweiligen Anlageform zu verstehen und auf dieser Basis ihre Anlageentscheidungen zu treffen. Dienstleister im Bereich der Anlageberatung und Portfolioverwaltung sind dabei verpflichtet, umfassende Informationen über die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden im Anlagebereich (Ausbildungs- und Berufsstand, Vertrautheit mit Finanzinstrumenten), seine finanziellen Verhältnisse (Einkommen, vorhandene Vermögenswerte) und seine Anlageziele (Haltedauer und Zweck der Anlage, Risikopräferenzen) einzuholen.

Kunde muss Risiken verstehen

Aufgrund dieser Informationen über den Kunden muss der Anlageberater dann bei der konkreten Beratung davon ausgehen können, dass eben dasjenige Geschäft, zu dem er rät, den Anlagezielen des Kunden entspricht, dass die Anlagerisiken für den Kunden finanziell tragbar sind und dass der Kunde diese Risiken auch versteht. Kurzum: Der Anlageberater muss so viel über den Kunden wissen, dass er die Eignung des konkreten Geschäfts für den Kunden beurteilen kann.

Verstößt der Anlageberater gegen seine Aufklärungspflichten, kann der Kunde verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der Anlageberater ihn richtig und vollständig beraten hätte (zuletzt OGH 17. 12. 2013 4 Ob 135/13a). Der OGH beschäftigte sich unlängst mit dem Fall einer Anlegerin, die über Empfehlung ihres Vermögensberaters in Meinl-Zertifikate investiert und infolge eines späteren Kursverfalls den Großteil ihrer Investition verloren hat. Die Anlegerin klagte ihren Vermögensberater, der die Investmentzertifikate als eine "österreichische Immobilienaktie" und als "sichere Anlageform" dargestellt und sie nicht über das Veranlagungsrisiko aufgeklärt hat. Der OGH sieht es als einen Beratungsfehler an, wenn der Anlageberater ein typisches Risikogeschäft als sichere Anlageform hinstellt und dadurch den Anleger zum Erwerb einer solchen Beteiligung veranlasst (OGH 19. 12. 2013, 3 Ob 209/13a). Besteht bei einem Wertpapier die Einstufung in eine höhere Risikoklasse, ist es jedenfalls Teil einer vollständigen, richtigen und sorgfältigen Beratung, dass der Berater die Risikoklasse mit dem Kunden erörtert und ihn über deren Bedeutung und Auswirkungen auf das verfolgte Anlageziel aufklärt (so bereits OGH 29. 1. 2013, 10 Ob 7/12w).

Für den geschädigten Anleger stellt sich in weiterer Folge regelmäßig die Frage, ob eine Entschädigung nur beim Anlageberater oder auch direkt bei der Depotbank zu holen ist. Besteht die Aufgabe der Bank ausschließlich in der bloßen Depotführung, trifft sie nur in Ausnahmefällen eine Aufklärungspflicht. Führt die Bank zusätzlich auch den Wertpapierkauf selbst durch, muss sie (sofern nicht ein reines Ausführungsgeschäft vorliegt) auch prüfen, ob der Kunde über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, um die Risiken des Finanzgeschäfts zu verstehen. Im Gegensatz zum Anlageberater muss die Bank jedoch nicht die oben dargestellte Eignung des Geschäfts für den Kunden prüfen.

Kommt der Auftrag zur Durchführung eines Wertpapierkaufs von einem externen Anlageberater, ist die Bank von ihrer eigenen Aufklärungs- und Beratungspflicht grundsätzlich befreit und kann auf die gehörige Beratung und Empfehlung des Anlageberaters vertrauen. Dieser Vertrauensschutz reicht aber nur so weit, als keine konkreten Anhaltspunkte für eine Fehlberatung vorliegen oder die Bank nicht weiß, dass der externe Anlageberater den Kunden nicht ordnungsgemäß beraten hat (OGH 13. 12. 2012, 1 Ob 48/12h).

Haftung der Bank ausgeweitet

Die Haftung der Bank wurde aber beträchtlich ausgeweitet, nachdem sich der OGH jüngst wiederholt zur Durchbrechung dieses Vertrauensprinzips bekannt hat. In Anwendung der Regeln über die zivilrechtliche Gehilfenhaftung und die Zurechnung des Versicherungsvermittlers kam der OGH zur Auffassung, dass ein Verschulden des externen Anlageberaters dann der Bank zuzurechnen ist, wenn zwischen dem Berater und der Bank ein wirtschaftliches Naheverhältnis besteht. Dies trifft beispielsweise dann zu, wenn der Berater von der Bank ständig mit der Vermittlung von bestimmten Anlageprodukten betraut ist ("Vertriebspartner"), sein wirtschaftlicher Erfolg also auch vom Ausmaß der Vermittlung der Produkte der Bank abhängt. In einer derartigen Konstellation darf die Bank nicht mehr auf eine objektive Kundenberatung durch den Berater vertrauen (OGH 17. 12. 2012 4 Ob 129/12t).

Der OGH entwickelte in einer Reihe von Entscheidungen einige Kriterien für die Annahme einer solchen wirtschaftlichen Nahebeziehung. Eine solche liegt etwa dann vor, wenn der externe Anlageberater als Vertriebspartner der Bank deren Formulare für den Depoteröffnungsantrag und den Kundenauftrag verwendet, die Bank ihm das Informationsmaterial für Kunden zur Verfügung stellt oder Produktpräsentationen für seine Mitarbeiter abhält. Auch eine enge personelle Verflechtung zwischen der Bank und der Emittentin der angebotenen Wertpapiere (hier: Constantia Privatbank und Immofinanz AG) kann durchaus zur Annahme einer solchen wirtschaftlichen Nahebeziehung und einer Haftung der Bank führen (OGH 17. 6. 2013 2 Ob 24/13p).

Angesichts dieser durchaus anlegerfreundlichen Rechtsprechung stellt sich freilich die Frage, in welchem Umfang sich ein Anleger "Mitverschulden" für seine Anlageentscheidung anrechnen lassen muss, wodurch die Schadenersatzpflicht des Anlageberaters / der Bank gemindert wird. Die jüngere Rechtsprechung lieferte hierfür nur wenige Anhaltspunkte.

Ein Mitverschulden des Kunden kommt in Betracht, wenn der Kunde selbst hervorragende Fach- und Branchenkenntnisse besitzt und ihm die Unrichtigkeit einer Anlageberatung hätte auffallen müssen (RIS-Justiz RS0102779). Ein Mitverschulden ist auch dann möglich, wenn der Anleger Risikohinweise im Beratungsprotokoll nicht beachtet. Bei unerfahrenen Anlegern oder mündlichen Zusicherungen des Beraters über die Sicherheit des Investments soll dieses Kriterium laut OGH aber nicht in aller Strenge gelten (OGH 4. 11. 2013 10 Ob 34/13t). Eine allfällige Sorglosigkeit der Anleger wurde auch verneint, wenn der Berater die Bedeutung des schriftlichen Informationsmaterials zu den angebotenen Produkten heruntergespielt und die Mündelsicherheit der Anlage betont hat (OGH 17. 12. 2013 4 Ob 135/13a). (DER STANDARD, 20.3.2014)