Der Internationale Sportschiedsgerichtshof (CAS) in Lausanne feiert heuer 30-jähriges Bestehen. Seit der Gründung durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat der junge Gerichtshof des Öfteren turbulente Zeiten erlebt und bleibt auch jetzt nicht verschont. Hat zuletzt die beschränkte Schiedsrichterauswahl - nur aus der Schiedsrichterliste - und das Einschreiten der Schiedsrichter auch als Parteienvertreter vor dem CAS die Kritik genährt, so ist es nunmehr die Zuständigkeit des CAS überhaupt, die große Wogen schlägt: Seit dem - nicht rechtskräftigen - Urteil des Landgerichts München I vom 26. 2. 2014 in Sachen Claudia Pechstein gegen den deutschen und internationalen Eisschnelllaufverband (ISU) ist die Wirksamkeit der Vereinbarung, Streitigkeiten vom CAS entscheiden zu lassen, die bezüglich bevorstehender sportlicher Bewerbe entstehen, unsicher.

Pechstein hat 2009 erfolglos vor dem CAS gegen die Disqualifikation durch den ISU wegen Blutdopings und ihre zweijährige Sperre berufen. Zu ihrer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Sperre und Schadenersatz hält das Münchner Gericht nun fest: Die Schiedsklauseln, die Pechstein in der Wettkampfanmeldung und Athletenvereinbarung mit den Verbänden unterfertigt hatte, sind unwirksam, weil die Verbände eine Monopolstellung haben und die Athletin zum Abschluss der Schiedsklauseln faktisch gezwungen war, wäre sie sonst doch nicht zu internationalen Wettkämpfen zugelassen worden. Im österreichischen Recht enthält § 6 Abs 2 Z 7 KSchG für vorformulierte Schiedsklauseln zwischen Unternehmern und Verbrauchern eine ähnliche Wertung: Dem Sportler könne die "Privatisierung seiner Rechtsschutzmöglichkeit" nicht aufgezwungen werden. Auch wenn Schiedsverfahren als gleichwertiger Rechtsschutz anerkannt sind, so vermisste das Münchner Landgericht doch die Verfahrensöffentlichkeit (CAS Code R43: Verfahren und Entscheidung sind vertraulich, außer die Parteien stimmen Veröffentlichung zu) und das Angebot von Verfahrenshilfe (CAS Code R30: Parteien müssen nicht anwaltlich vertreten sein). Das Gericht zweifelt weiters die Unabhängigkeit der CAS-Spruchkörper an, weil, anders als Verbände, die Athleten kein Recht haben, die Schiedsrichterliste des CAS zu beschicken.

Pechsteins Klage abgewiesen

Weil Pechstein - nunmehr nach dem Wettkampf und anwaltlich vertreten - vor dem CAS eine neue Schiedsvereinbarung mit der ISU abgeschlossen hatte und erstmals vor dem LG München angebliche Mängel im CAS-Verfahren (fremde Verfahrenssprache, Finanzierung des CAS) rügte, hat das Gericht die Bestätigung der Sperre nach dem New Yorker Übereinkommen von 1958 zu Recht anerkannt und die Klage abgewiesen.

Die Diskussion des CAS als "Sporthöchstgericht wider den Willen der Athleten" widerspricht dessen wertvollem Einsatz soeben in Sotchi. Seit 1996 stellt er den Olympischen Spielen "Ad-hoc-Abteilungen", die vor Ort kostenlos Streit in Bezug auf olympische Bewerbe entscheiden. Die diesjährige Abteilung hat unter anderem den Antrag der österreichischen Freestyle-Skiläuferin Daniela Bauer entschieden, die dem österreichischen Skiverband vorwarf, ihr den versprochenen Platz im ÖSV-Team widerrechtlich nicht zuerkannt zu haben. Auch wenn dem Skiverband nahegelegt wurde, klare Zulassungskriterien für die Athleten zu etablieren, so wurde doch keine Rechtsverletzung festgestellt.

Die vom LG München bemängelte Unabhängigkeit des CAS und die Erstellung der Schiedsrichterliste sollten neu diskutiert werden: Am CAS, der über Sieg und Niederlage im internationalen Sport entscheiden kann, wird seit jeher gezerrt: Wegen seiner Gründung und Finanzierung durch das IOC zunächst als "Vasall des IOC" tituliert, verminderte das IOC seinen Einfluss ab 1994 durch Zwischenschaltung des Internationalen Rats der Sportschiedsgerichtsbarkeit (ICAS). Dessen Mitglieder werden von den Sportverbänden, dem Verband der nationalen Olympischen Komitees (ANOC) und dem IOC bestellt (CAS Code, Artikel S4), die sodann als ICAS die Liste der Schiedsrichter des CAS festlegen (ca. 300).

Reform der Finanzierung

Aber nach wie vor wird der CAS vornehmlich vom IOC und den Verbänden finanziert. In Anbetracht dessen, dass diese als Verfahrensparteien vor dem CAS auftreten - Internationaler Radsportverband, UCI und FIFA mit je 37, Schwimmverband mit 30, Pferdesportverband FEI mit 20, IOC mit 24 und UEFA mit 18 der insgesamt 391 veröffentlichten Schiedssprüche -, erscheint diese Finanzierung reformbedürftig.

Der CAS - wie auch ordentliche staatliche Gerichte - werden durch ihren Finanzierer (CAS Budget 2003: 7,3 Mio. Schweizer Franken), die Macht der (Schieds-)Richterernennung und die Frequentierung durch Parteien mit gleicher Interessenlage beeinflusst. Seit 2002 verweist FIFA ihre Streitigkeiten an den CAS, was als Service eine eigene Schiedsrichterliste mit Fußballerfahrung nach sich zog. Die Konzentration der Sportgerichtsbarkeit beim CAS birgt Vorteile: Das Know-how im Nischenbereich des Sportrechts wird beim CAS gesammelt, der in der Sache endgültig und rascher als nationale Gerichte mit verschiedensten Fachkompetenzen entscheiden kann, wodurch zum Beispiel die Entscheidung über Sportlerzulassung binnen Stunden vor dem Bewerb gewährleistet ist. Ordentliche nationale Gerichte können hier keine Alternative bieten.

Die Veröffentlichung der nach einer internationalen Verfahrensordnung ergangenen Judikatur durch den CAS sorgt für einheitlichere Urteile, die nicht von nationalen Interessen geprägt sind. Die einst sehr eingeschränkte Schiedsrichterliste wurde durch ein Antragsrecht interessierter Sportrechtler bereits erweitert. Wenn es dem CAS gelingt, die Liste gleichförmig von allen Interessenvertretungen erstellen zu lassen oder sie ganz abzuschaffen und Beobachter zu Verfahren zuzulassen, dann würden Athleten, im Sinne der Wahlfreiheit, den CAS voraussichtlich nationalen Gerichten vorziehen. Dass der CAS beweglich ist, hat er mit dem Verbot für Schiedsrichter, vor dem CAS auch als Parteienvertreter aufzutreten, und der Annahme von Verfahrenshilferichtlinien (Prozesskosten und Anwalt für natürliche Personen) bereits im September 2013 gezeigt.

Eine effiziente Rechtsprechung ist nicht nur für den Sport wichtig, sondern laut einer Europarat-Studie von 2013 auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Inwieweit Athleten vor den jeweils lokalen ordentlichen Gerichten besser aufgehoben sind oder Sponsoren sich abschrecken lassen, wenn der geordnete Start und Ablauf von internationalen Bewerben durch den CAS und damit die Ausstellung der Sponsormarke nicht gewährleistet ist, müssen die Athleten dann für sich beurteilen. (DER STANDARD, 20.3.2014)