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So sieht es aus, wenn US-Forscher den Nachweis für das Ausdehnen des Universums nach dem Urknall gefunden haben wollen. Das Bild der Harvard-Universität zeigt Temperaturschwankungen der kosmischen Hintergrundstrahlung.

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Die Forschungseinrichtung am Südpol.

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Cambridge - Astronomen vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics verkündeten am Montag Nachmittag eine kosmologische Sensation: Erstmals  war ihnen der direkte Nachweis der inflationären Phase in der Entwicklung des Universums gelungen. Die Messungen hatten sie mit dem BICEP2 (Background Imaging of Cosmic Extragalactic Polarization) Teleskop durchgeführt, das am Südpol stationiert ist.

Bei der Inflation handelt es sich um einen extrem kurzen Zeitraum, in dem die Expansion des Universums exponentiell erfolgte, und damit deutlich schneller als jemals davor oder danach. Diese Phase ereignete sich der Theorie zufolge unmittelbar nach der Entstehung des Weltalls vor etwa 13.8 Milliarden Jahren. Obwohl das Konzept bereits in den 1980ern postuliert worden war, gab es bisher keinen direkten Nachweis für die Inflation. Nur indirekte Anzeichen, wie etwa die Homogenität des Universums, also die Tatsache dass in allen Richtungen Sterne und Galaxien zu sehen sind, deutete darauf hin, dass es die Inflation gegeben haben muss.

Nun verkündeten die Forscher den ersten direkten Beweis für diese inflationäre Phase des Universums. Die bahnbrechenden Resultate kamen aus Daten des BICEP2 Teleskops, das die kosmische Hintergrundstrahlung beobachtet, quasi den Nachhall des Urknalls. In diesem Hintergrund, so gleichmäßig er auch auf den ersten Blick über den Himmel verteilt sein mag, gibt es nämlich leichte Unregelmäßigkeiten. Diese wurden einerseits durch Dichteschwankungen im jungen Universum verursacht, andererseits aber auch durch Gravitationswellen, die das  frühe Universum durchliefen. Diese bereits von Einstein vorhergesagten Wellen in der Raumzeit entstehen, wenn sich Massen bewegen und dadurch die Raumzeit krümmen. Durchlaufen die Wellen dann den Raum, drücken sie ihn zusammen und hinterlassen dadurch eine verräterische Signatur in der Hintergrundstrahlung.

Da diese Hintergrundstrahlung nämlich nichts anderes ist als eine elektromagnetische Welle, also eine Form von Licht, wenn auch nicht im sichtbaren Bereich, kann sie auch polarisiert sein, genau so wie gestreutes oder reflektiertes Sonnenlicht polarisiert ist. Nach einer bestimmten Art der Polarisation, die durch die primordialen Gravitationswellen verursacht wurde, den sogenannten B-Moden, suchten nun die Wissenschafter. Diese gesuchten B-Moden offenbaren sich im Muster der Polarisation als verräterischer Wirbel (siehe Graphik). "Dieses Signal zu finden ist eines der wichtigsten Ziele der Kosmologie heute"  sagt John Kovac vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, Leiter der BICEP2 Kollaboration.

Magische Zahl

Quasi eine magische Zahl in der Inflationstheorie ist der so genannte "r-Wert". Dieser beschreibt, vereinfacht gesagt, den Anteil den die Gravitationswellen an den Unregelmäßigkeiten haben. Die nun veröffentlichten Messungen deuten auf einen r- Wert von 0.2 hin, viel höher als bisher angenommen. "Wir wissen jetzt nicht nur, dass es die Inflation tatsächlich gab, sondern auch, wann sie stattfand und wie stark sie war", sagt Harvard Theoretiker Avi Loeb. Eine schöne Illustration der Tragweite der Entdeckung ist die Reaktion des theoretischen Physikers Andrei Linde, als er mit der Neuigkeit konfrontiert wurde (siehe Video). Er hatte die Inflationstheorie gemeinsam mit Alan Guth entwickelt.


Video: Andrei Linde kann fast nicht glauben, was ihm da Chao-Lin Kuo mitteilt (Quelle: Youtube/Stanford University).

Die Erforschung des kosmischen Hintergrundes ist harte Arbeit, denn das BICEP2 Teleskop, das die entscheidenden Daten lieferte, befindet sich in der Nähe des Südpol. Dieser ist einer der trockensten und saubersten Orte auf der Erde, perfekt um die Mikrowellenstrahlung zu untersuchen.  "Der Südpol ist sozusagen der Ort, an dem man den Bedingungen im Weltall am nächsten kommt und trotzdem noch auf der Erde ist" erklärt Kovac. Als Arbeitsplatz zählt er jedoch sicher zu den extremsten überhaupt. Wer in der Südpolstation arbeitet, muss die gesamte Polarnacht dort verbringen. Konkret bedeutet das, dort zu überwintern, viele Monate lang in der andauernden Finsternis isoliert vom Rest der Menschheit.

Jetzt müssen die Ergebnisse allerdings noch von der Gemeinschaft der Wissenschafter unabhängig überprüft werden. In einem Fachjournal publiziert wurde die Studie nämlich noch nicht – auf dem Originalartikel, den man von einem preprint-Server herunterladen kann, prangen origineller Weise noch die Worte "to be submitted to a journal – TBD", also "soll an ein Journal geschickt werden – noch zu erledigen". Angesichts des starken Signals sind die Forscher aber optimistisch, dass ihre Kollegen die Messungen betätigen werden. "Es ist als hätten wir eine Nadel im Heuhaufen gesucht und stattdessen eine Brechstange gefunden.", beschreibt Co-Leiter  Clem Pryke von der University of Minnesota die Ergebnisse. Auch hat das Team volle drei Jahre investiert um die Daten penibel auf etwaige Fehlerquellen zu überprüfen. Zur Verkündung ihrer Ergebnisse hatten sich die Forscher auch erst entschlossen, als noch ein anderes Instrument - das Keck Array - begann, Daten zu liefern die die BICEP2-Resultate bestätigten. (Elisabeth Guggenberger, DER STANDARD, 19.03.2014)