Mit der Abschaffung aller Roaming-Gebühren könnte dem EU-Parlament ein schönes Wahlzuckerl vor der Europawahl im Mai gelingen: Wird der Vorschlag des Industrieausschusses tatsächlich umgesetzt, sparen sich die EU-Bürger auf den ersten Blick Geld und die europäische Einheit wird symbolisch gestärkt. Die damit einhergehende Aufhebung der Netzneutralität, über die in derselben Abstimmung entschieden wurde, ist allerdings ein hoher Preis – und auch die Abschaffung der Roaming-Gebühren könnte sich aus Konsumentensicht noch als Eigentor erweisen.
Reguläre Tarife könnten steigen
So warnten europäische Telekomprovider, dass sie die sieben Milliarden Euro, die ihnen bis 2020 durch die Abschaffung von Roaming entgehen, anderswo lukrieren müssten – vermutlich durch eine Erhöhung der regulären nationalen Telefontarife. Ob langfristig ein EU-weiter Telekommunikationsmarkt samt europäischer Preisschlacht entstehen könnte, ist dabei fraglich, da dafür noch eine Vielzahl weiterer Harmonisierungsmaßnahmen nötig wären.
Grundprinzip des Internets infrage gestellt
Viel Geld ist für die Anbieter allerdings durch das Ende der Netzneutralität zu holen, das im Ausschussbericht zwischen schönen Phrasen und vermeintlichen Bekenntnissen versteckt wurde. Tatsächlich wird ein Grundprinzip des Internets infrage gestellt, nämlich die Gleichbehandlung aller Datenpakete. Bislang mussten Internetprovider alle Services gleich schnell transportieren – egal, ob es sich dabei um Youtube, Websites von Bildungseinrichtungen oder einen kleinen Blog handelte.
Nun dürfen Provider aber sogenannte "spezielle Services" von diesem Prinzip ausschließen. Dabei kann es sich dank der unpräzisen Definition im Gesetzestext um alles Mögliche handeln, etwa um Videos, Apps oder das Online-Spielen von Games. Das bedeutet, dass Youtube oder Streamingdienst Netflix möglicherweise Geld an die Provider überweisen müssten, um ihre Services in akzeptabler Qualität anzubieten.
Hoher Preis
Die Zeche dafür wird vermutlich der Konsument zahlen. Aber selbst wenn Internetgiganten auf eine Weitergabe der Gebühr verzichten, schadet die Netzneutralität dem freien Markt, da die Dominanz von Platzhirschen weiter gefestigt wird. Kleinere oder Non-Profit-Websites verfügten wohl nicht über genug Geld, um Deals mit Internetprovidern auszuhandeln. Und auch für Bildungseinrichtungen könnte die Entscheidung verheerende Folgen haben. Die EU-Parlamentarier sollten sich daher genau überlegen, ob sie der Empfehlung ihres Industrieausschusses folgen wollen. (Fabian Schmid, derStandard.at, 18.3.2014)