Mit Geschirr gegen den Ist-Zustand trommeln: Die Riahi-Brüder berichten in "Everyday Rebellion" von weltweit wachsendem gewaltlosem Politaktivismus.

Foto: stadtkino

Wien - Eine junge Frau steht auf einer Treppe im Freien und erzählt ihre Geschichte. Die Erzählung ist in knappen Sätzen gehalten. Nach jedem einzelnen macht sie eine Pause und wartet, bis ihn die Menge ihrer Zuhörerinnen und Zuhörer wiederholt hat und so nach und nach alles Gesagte akustisch weiterreicht.

Das Ritual, das unter dem Begriff "people's microphone" bekannt wurde, hat einen ganz weltlichen Hintergrund: Die Benutzung von Megafonen und anderen Verstärkern war den Demonstranten und Aktivisten der Occupy-Bewegung im New Yorker Zuccotti Park polizeilich untersagt. Die Notwendigkeit, eine große Menge von Menschen zu informieren, verlangte nach einer kreativen Umgehung dieses Verbots.

Diese wurde gefunden, und nun steht das "menschliche Mikrofon" auch relativ am Anfang von Everyday Rebellion. So heißt wiederum der Dokumentarfilm der österreichisch-iranischen Riahi Brothers, die bisher jeder für sich als Regisseure von Filmen wie Exile Family Movie, Ein Augenblick Freiheit oder Schwarzkopf in Erscheinung traten.

Globale Beispiele

Ihr Film, der Beobachtungen, eher knapp gehaltene Statements und Archivmaterial zu einer impressionistischen Montage versammelt, führt nach Madrid, wo sich Menschen zusammenschließen, um gemeinsam Delogierungen zu verhindern. Er folgt Femen-Mitbegründerin Inna Schewtschenko aus der Ukraine ins Exil nach Frankreich, wo sie neue Aktivistinnen im barbusigen Überraschungsangriff ausbildet.

Everyday Rebellion begegnet einem "syrischen Revolutionär", der nunmehr in einem Flüchtlingslager Strategien entwickelt, Zeichen des Widerstands ins Land zu schmuggeln (etwa mit Parolen bemalte Tischtennisbälle). Und er ist im Oktober 2012 in Den Haag dabei, wenn das Iran Tribunal tagt, welches Menschenrechtsverletzungen, Folter und Ermordung politischer Gefangener im Iran von 1981 bis 88 öffentlich macht. Was all diese Aktivisten und Widerstandsformen eint, ist das Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit. Ein Konzept, das sich, so erfährt man, schon allein wegen seiner Erfolgsbilanz empfiehlt:Wie eine US-Professorin erklärt, hätten empirische Untersuchungen ergeben, dass nichtgewalttätige Bewegungen im 20. Jahrhundert doppelt so effektiv gewesen seien wie gewaltsame.

Was diese Erfahrungen trennt, das sind die unterschiedlichen geopolitischen Kontexte, die zugunsten des Interesses am gemeinsamen Ansatz zum Teil allzu sehr in den Hintergrund treten. Oder die überhaupt verhindern, dass Protagonisten sich offen vor der Kamera äußern können. So spiegeln sich in der Repräsentation noch einmal Machtverhältnisse wider, wenn einerseits westliche Aktivisten ihre Strategien quasiprofessionell in seminarartigen Situationen "vertreiben", während andererseits eine Iranerin in Teheran nur als anonyme Passantin von ihrer prekären Situation seit Niederschlagung der Grünen Bewegung 2009/2010 sprechen kann.

Umso beeindruckender ist der Umstand, dass sich Menschen selbst unter lebensgefährlichen Bedingungen nicht von ihrem Widerstand abbringen lassen. Ein Punkt, an dem Everyday Rebellion nicht nur im Kino ansetzt. Der Film ist nämlich Teil eines größeren (Vernetzungs-)Projekts, das Social Media inkludiert.

In kurzen Videos gibt etwa Srdja Popovic, in den 1990ern einer der Gründer der serbischen Oppositionsbewegung Otpor!, Creative Tips on Non-Violent Struggle. Diese betreffen den Einsatz von Humor als "Angstbrecher" ebenso wie den Einsatz von Pensionisten als Verbindungsleute zwischen verhafteten Aktivisten und deren Angehörigen - versehen mit der Aufforderung: "Do try this at home!" (Isabella Reicher, DER STANDARD, 19.3.2014)