Jeannie Moser: "Psychotropen. Eine LSD-Biographie", Konstanz University Press, 2013, 275 Seiten, 35,90 Euro

Cover: Konstanz University Press

Jim Morrison, Frontman der Doors, soll sich monatelang nur von Bohnen und LSD ernährt haben, so die Legende. Selbst der Bandname soll in Anlehnung an Aldous Huxleys philosophische Auseinandersetzung mit dem Drogenrausch, The Doors of Perception, ausgewählt worden sein. Der soziale Aufbruch in den 1960er-Jahren ist im Rückblick eng mit dem Image des Halluzinogens verwoben, dem das Potenzial zu höherer Selbst- und Welterkenntnis zugeschrieben wurde.

Dass diese romantisierte wie belächelte kulturelle Festschreibung der Droge nur eine Ausprägung des diskursiven Raums ist, den die Entdeckung der Droge tatsächlich öffnete, hat Jeannie Moser in ihrem Buch Psychotropen. Eine LSD-Biographie herausgearbeitet. Das Mutterkornalkaloid, Nebenprodukt der Medikamentenforschung des Chemikers Albert Hofmann in den 1930er- und 40er-Jahren, zeigte Auswirkungen in Philosophie und Literatur, in Politik, Kunst und Wissenschaft.

Moser ist selbst Literaturwissenschafterin an der TU Berlin. Davor war sie unter anderem Junior Fellow am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften an der Kunstuniversität Linz (IFK).

Moser holt weit - bis zu Goethes Farbenlehre - aus, um die Frage der Erkenntnisfähigkeit durch ein beeinflusstes Bewusstsein zu grundieren. Sie folgt den Zuschreibungen der Substanz, von Hofmanns Selbstbeobachtungen über poetische Fahrten in den "Seelenkosmos" der Beatnik-Autoren bis zum Glauben an die drogistisch herbeigeführte Selbsterfahrung der 60er-Jahre.

Psychologische Forschungseinrichtungen und die Labore der Geheimdienste erprobten die Substanz für ihre Zwecke. Die einen erhofften sich ein Penicillin der Psychopharmakologie, die anderen glaubten, LSD für Gehirnwäsche und als Wahrheitsserum nutzen zu können. Gemeinsam mit der "Counter Culture" bilden die wissenschaftlichen Disziplinen "ein diskursives Verbundsystem und sind darin nur schwer voneinander zu trennen", schreibt Moser. Sowohl in wissenschaftlichen als auch in nichtwissenschaftlichen Milieus "verdichtet sich die Vorstellung eines biochemisch organisierten und stofflich modulierbaren Selbst. Die Wissenskulturen und ihre Beschreibungsapparate vernetzen sich."

Der erlebte Eingriff ins Denken, ins Bewusstsein, in das Subjekt hat, anders als eine Beeinflussung, die in der physischen Sphäre verharrt, die Macht, kulturelle und soziale Normen infrage zu stellen. Wenn das Ich als chemisch reguliertes Wesen begriffen werden kann, stellt das die Frage nach dem Verhältnis von Geist und Materie in neuer Weise.

Die Annäherung der Nutzung der Substanz aus kulturellen und wissenschaftlichen Gründen korrespondiert mit dem Problem, dass Beobachter und Erkenntnisgegenstand zusammenfallen. Eine veränderte Wahrnehmung versucht einen Blick auf sich selbst zu werfen und unterminiert den Erkenntnisdrang, sowohl in Bezug auf das wahre Selbst als auch auf die wahre Wirkung der Droge.

Ein Umstand, der einen angesichts des heutigen Technikverständnisses erstaunt, ist der Brückenschlag von Droge und Computern in den 1960er-Jahren: LSD könnte man demnach auch als alternative Form der Kybernetik sehen, die das Bewusstsein in ein offenes System verwandelt, das wie Computer virtuelle Welten erschafft: "Die künstliche Auflösung von Raum und Zeit, andere Kommunikationsstrukturen und Wahrnehmungsarten, die mit Drogen erfahren werden, sowie die politische Idee einer nicht hierarchisch vernetzten, globalen Gesellschaft, beeinflussen die Computerindustrie und das sogenannte Zeitalter der Information auf nachhaltige Weise", schreibt die Autorin. (Alois Pumhösel/DER STANDARD, 19.3.2014)