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Wien - Wer entscheidet künftig im ORF? Donnerstag bringt der Verfassungsausschuss eine Novelle ein Stück weiter. Aber erst zum Beschluss im Plenum am 26. März dürfte die Koalition klären, wer wie in den ORF-Gremien vertreten ist. Wohin die Reise geht, zeichnet sich ab. Auch wenn kein Verhandler die Route kommentiert.

Das Ziel eint und trennt SPÖ und ÖVP. Eine Mehrheit im Stiftungsrat des ORF hätte jede Fraktion gern. Sie entscheidet über die Führung des größten und reichweitenstärksten Medienkonzerns bis zu den Landesdirektoren, zudem über Budgets, Investitionen, die Programmstruktur. Weil SPÖ und ÖVP eigene Interessen näher stehen als gemeinsame, trennt das idente Interesse die Koalitionäre auch gleich wieder.

SPÖ stellt 15 von 35

Die SPÖ stellt bisher die meisten Stiftungsräte, 15 von 35. Der Kanzler, SP-Chef Werner Faymann, bestimmt 17 von künftig wohl nur noch 31 Publikumsräten. Der Verfassungsgerichtshof hat 2011 die Faxwahl von sechs Publikumsräten aufgehoben. Um Relikte dieser Mitbestimmung von Gebührenzahlern geht es am Donnerstag im Ausschuss und Mittwoch im Plenum. Denn die Höchstrichter strichen die Faxwahl, ließen aber einen Halbsatz stehen: Der Publikumsrat schickt sechs Mitglieder in den Stiftungsrat, drei davon aus der Faxwahl.

Ohne Faxwahl und ohne Änderung könnte einfach die Mehrheit im Publikumsrat diese drei in den Stiftungsrat entsenden. Mit dem Risiko, dass ORF-Chefs, Budgets oder 300-Millionen-Investments wie die neue ORF-Zentrale von einem womöglich rechtswidrig zusammengesetzten Stiftungsrat beschlossen wurden, wenn das Gesetz wieder vor Höchstrichtern landet. Womöglich angefochten von ORF-Redakteuren oder ORF-Veteranen wie Kurt Bergmann, die grundlegende Reform und kleinere ORF-Gremien fordern.

Rechtsrisiko, Koalitionsklima

Dieses Risiko (und das Koalitionsklima) spricht aus der Sicht der SPÖ dagegen, das Gesetz einfach so zu belassen, über Kanzler Werner Faymann wieder 17 Sozialdemokraten in den Publikumsrat zu entsenden und mit Mehrheit im Publikumsrat fünf Sozialdemokraten und einen unabhängigen Kirchenvertreter in den Stiftungsrat zu schicken.

Die ÖVP soll der SPÖ ohne Erfolg angeboten haben, die sechs Publikumsräte im Stiftungsrat zu streichen. Das hätte die SPÖ mit drei die meisten Mandate gekostet. Sie verliert ohnehin ein weiteres an die Neos, weil sich sechs statt fünf Klubs die sechs Parteimandate im Stiftungsrat aufteilen. Die SPÖ hatte bisher zwei

Es überraschte nicht, suchte die SPÖ dieses Parteimandat auszugleichen und drei Publikumsmandate zu halten, zudem die ÖVP ihre zwei Publikumsmandate. Ergibt sechs Stiftungsräte - exakt die Mandate des Publikumsrats, wenn man bei den drei ungefaxten Räten die vorgegebenen Vertretungen (Hochschulen, Kunst, Kirche) streicht. Für den unabhängige, katholische Kirchenvertreter Franz Küberl müsste anderswo Platz geschaffen werden: Auf neun Regierungsmandaten im Stiftungsrat sitzen je vier von SPÖ und ÖVP plus ein - bisher bürgerlicher - Unabhängiger. 

Zeitpunkt offen

Im Kanzleramt lässt man noch offen, wann sein Chef die 17 Publikumsräte bestellt. Bis diesen Montag konnten Hochschulen, Bildungseinrichtungen, Kunstinstitutionen, Sportverbände bis hin zu Tourismus- und Kraftfahrorganisationen Kandidaten nominieren, unter denen Werner Faymann wählen kann.

Bis 7. April sollen die Publikumsräte komplett sein. Bis 24. April dann der entscheidende Stiftungsrat. Die ORF-Führung steht regulär wieder 2016 zur Wahl im Stiftungsrat.

Vor allem der SPÖ-Spitze wird regelmäßig nachgesagt, sie wolle General Alexander Wrabetz womöglich schon früher loswerden. Dafür gibt es im Grunde drei Wege:

Wrabetz geht freiwillig, weil man ihm einen neuen, womöglich spannenderen oder auch ruhigeren und/oder besser dotierten Job anbietet. Da wurde schon häufiger die ÖIAG genannt.  Bisher hat er offenbar kein solches Angebot.

Wrabetz wird vom Stiftungsrat abgewählt. Dafür braucht es freilich rechtlich eine Zweidrittelmehrheit im Stiftungsrat und realpolitisch einen guten Grund. Der ORF schreibt seit einigen Jahren wieder schwarze Zahlen, heuer will er das laut Budget auch schaffen, ohne dass ihm die Republik Gebührenbefreiungen abgilt. Die fast ein Jahrzehnt wartende Entscheidung über den künftigen Wiener ORF-Standort hat noch der alte Stiftungsrat gefällt.

Oder die Regierungsmehrheit im Nationalrat beschließt eine große ORF-Reform der Gremien - auf die konnte sie sich freilich in den vergangenen Jahren, Arbeitsgruppe im Kanzleramt inklusive, nicht einigen.

Und hat nicht die SPÖ-Mehrheit unter Parteivorsitz von Werner Faymann erst 2011 Wrabetz als General verlängert?

All das muss einen neuerlichen Anlauf des Kanzleramts Richtung den Küniglberg, etwa nach der EU-Wahl im Mai, nicht zwingend ausschließen. (fid, DER STANDARD, 19.3.2014)