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Mit den ersten 50 Bürstenstrichen wird kopfüber im Nacken gegen die Wuchsrichtung begonnen. Die zweiten 50 Bürstenstriche folgen in Wuchsrichtung.

Foto: APA/dpa/Heiko Wolfraum

Höchstens einmal pro Woche, meistens aber viel seltener, wuschen sich Frauen früher die Haare. Die Pflege erfolgte abseits von Wasser und Shampoo: "100 Bürstenstriche am Tag", lautete die Devise. Gesund und glänzend, hieß es, sollten die Haare durch dieses Pflege-Ritual werden.

"Es gibt keine bessere Haarpflege als den eigenen Talg", bestätigt Iris Untermaurer, Geschäftsführerin von Haarmonie-Friseur, in dessen zwei Wiener Filialen ausschließlich mit Naturprodukten gearbeitet wird. Mit dem Bürsten verteilt sich der Talg vom oft fettigen Ansatz bis in die trockenen Spitzen und bringt die Haare gleichmäßig zum Glänzen. Nicht zu vergessen: "Er kommt kostenlos aus der Kopfhaut", sagt die Haar-Expertin.

Die pflegende Wirkung des Bürstens ist auch für Sabine Schwarz, Dermatologin und Leiterin des Hautzentrums Wien, gegeben: "Durch den eigenen Säureschutzmantel bietet der Talg einen leichten Schutz gegen Bakterien und Viren. Er hilft dem Haar selber rückzufetten und schützt es so gegen chemische, UV-bedingte und andere Einwirkungen." Wie viel Talg die Kopfhaut produziert, hängt von altersbedingten, hormonellen und  stoffwechselbedingten Faktoren ab.

Am besten mit Wildschweinborsten

Für das tägliche Bürsten empfiehlt Untermaurer Naturborsten: "Wildschweinborsten eignen sich am besten, weil sie dem menschlichen Haar am ähnlichsten sind und, im Gegensatz zu Kunststoff- oder Holzborsten, den Talg aufnehmen können." Mit den ersten 50 Bürstenstrichen wird kopfüber im Nacken gegen die Wuchsrichtung begonnen. "Dabei wird das Haar mit sauerstoffreichem Blut versorgt und kann besser wachsen." Die zweiten 50 Bürstenstriche folgen in Wuchsrichtung.

Für Iris Untermaurer ist das Haare-Bürsten eine "trockene Kopfhautreinigung". Sie bezeichnet die Fußsohlen neben der Kopfhaut als zweitgrößte Giftausscheidungszone des menschlichen Körpers. "Über diese werden in der Nacht Salze und Giftstoffe ausgeschieden, die von den Nieren nicht verarbeitet werden können." Sabine Schwarz geht nicht so weit: Bestimmte Salzverbindungen, und in geringen Mengen auch Schwermetallverbindungen, könnten zwar mit dem Schweiß ausgeschieden werden, "dennoch halte ich es für unmöglich, durch Bürsten hier Schweiß und Talg  abzutransportieren", sagt die Dermatologin.

Das regelmäßige und hingebungsvolle Bürsten des Haares soll auch gegen Schuppen helfen: "Durch den Massageeffekt wird die Kopfhaut geglättet, und die Schuppen werden abtransportiert", sagt Untermaurer. Doch an erster Stelle steht eine diagnostische Abklärung durch den Hautarzt. "Schuppen können im Rahmen einer Grunderkrankung auftreten, wie etwa Schuppenflechte, Kopfhautekzem oder Pilzbefall", erklärt Schwarz. Häufig zu beobachten sei auch das Seborrhische Ekzem, ein mit Schuppungen verbundener Hautausschlag, der vor allem auf der Kopfhaut und im Gesicht auftritt.

Durchblutungsfördernd

"Beim Bürsten wird der Haarbalgmuskel trainiert", erklärt Untermaurer. Dieser sei den meisten Menschen durch das Phänomen "Gänsehaut" vertraut und verantwortlich dafür, dass das Haar in der Kopfhaut hält. Über die reinigende Wirkung hinaus könnten 100 Bürstenstriche am Tag laut der Haar-Expertin sogar dem Haarausfall entgegenwirken.

Was Schwarz bestätigen kann, ist eine verstärkte Durchblutung der Kopfhaut: "Haare, die nicht mehr in den Haarwurzeln verankert sind, werden entfernt, zusätzlich hat es einen hygienisch-sozialen Aspekt", sagt die Dermatologin. Doch ein Haar in der Ruhephase (es gibt drei Phasen des Haarwachstums, Anm.) könne definitiv nicht durch Bürsten stimuliert oder in der Kopfhaut gehalten werden.

Nachdem Haarausfall verschiedene Ursachen haben kann, ist laut Schwarz an erster Stelle eine diagnostische Abklärung wichtig, dann gelte es die richtige Therapie zu finden. Die häufigste Ursache bei Frauen wie Männern ist der hormonell-erbliche Haarausfall. Bei Männern kommt er bereits ab der Pubertät, bei Frauen am häufigsten ab dem 35. Lebensjahr vor. "Ich fürchte daher, dass die Mehrdurchblutung, die wir durch regelmäßiges Bürsten erreichen, keinen großen Einfluss auf den Krankheitsverlauf hat, aber schaden kann es auch nicht", resümiert die Dermatologin. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 19.3.2014)