Bild nicht mehr verfügbar.

Afrikanische Flüchtlinge in der spanischen Exklave Melilla.

Foto: EPA/FRANCISCO G. GUERRERO

Der dichte Nebel war ihr Freund. Mehr als 300 Immigranten, meist aus Mali und dem Senegal, überwanden Dienstagfrüh den Grenzzaun zwischen Marokko und Melilla, einer der beiden spanischen Exklaven in Nordafrika. Rund 200 weitere Flüchtlinge scheiterten. Es war der größte Massenansturm auf die sechs Meter hohe, mit Nato-Draht bestückte Grenzanlage seit 2005. Mehrere Flüchtlinge mussten mit Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Der Rest zog jubelnd und tanzend ins Übergangslager in Melilla, wo sie von den Insassen freudig empfangen wurden.

Weder die Aufrüstung der Grenzanlage mit dem Nato-Draht, der mit rasiermesserscharfen Metallblättchen versehen ist, noch die Verlegung weitere Polizeieinheiten nach Melilla und der zweiten Exklave Ceuta können die Flüchtlinge abschrecken. Allein in den ersten beiden Monaten dieses Jahres überwanden 530 Menschen den Zaun nach Melilla. Das sind dreimal so viele wie im Vergleichszeitraum 2013. Im Februar verloren 15 Immigranten ihr Leben, als sie versuchten, Ceuta schwimmend zu erreichen. Grenzpolizisten schossen mit Tränengas und Gummigeschoßen. In der entstandenen Panik ertranken die Opfer oder wurden erdrückt.

Ministerium vermutet Mafia

Das Innenministerium in Madrid spricht von einem "starken Migrationsdruck". Kommende Woche will sich Innenminister Jorge Fernández mit seinem marokkanischen Kollegen treffen. Er will erreichen, dass Marokko zustimmt, die Flüchtlinge an der Grenze zurückzunehmen. Das geschieht auch jetzt immer wieder, ist aber weder bilateral geregelt noch nach spanischem Recht zulässig. Denn wer erst einmal in Spanien ist, muss von einem Richter abgeschoben werden.

Laut spanischem Innenministerium sollen sich in Marokko 30.000 bis 40.000 Flüchtlinge aufhalten, die auf Gelegenheiten warten. Hilfsorganisationen halten diese Zahl für übertrieben. Auch die Version des Innenministers, nach der hinter den Massenanstürmen Mafiabanden stecken, überzeugt nur wenige. Selbst der Chef der Grenzbrigade der Nationalpolizei in Ceuta, Ramón Caudevilla, bestritt das in einem Interview. "Da können unmöglich Mafias dahinterstecken", sagte der Beamte, seit 16 Jahren für die Einwanderung in Ceuta zuständig. Fernández duldet solchen Widerspruch nicht. Er hat ein Disziplinarverfahren gegen Caudevilla eingeleitet. Da er ohne Genehmigung mit der Presse geredet habe, wird er seinen Posten verlieren. (Reiner Wandler aus Madrid, DER STANDARD, 19.3.2014)