Zotter schreckt auch vor Blutschokolade nicht zurück - und sei es, um ein Exempel zu statuieren.

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Auch Zotter ist auf den Trend zur Raw-Schokolade aufgesprungen. Seine Labooko wird aus kaum fermentierten und wenig gerösteten Bohnen fabriziert.

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STANDARD: Sind Sie eigentlich der einzige Bean-to-Bar-Produzent in Österreich?

Josef Zotter: Nein, so viel ich weiß, gibt es noch zwei weitere, konkret Manner und die Supermarktkette Hofer. Aber Manner erzeugt vor allem Kochschokolade und Hofer billige Milchschokolade, da geht es also um ganz andere Qualitätsschienen.

STANDARD: Wieso behaupten plötzlich so viele Produzenten, dass sie Bean-to-Bar-Schokolade machen?

Zotter: Ganz einfach, weil dafür höhere Preise verlangt werden können. Aber ganz in Ordnung ist das nicht, wenn einer diesen Eindruck erweckt und gleichzeitig die Schokolade von wem anderen verarbeitet. Schließlich sollte das drin sein, was draufsteht. Also wenn man Zotter kauft, weiß man, dass da keine Schokolade drin ist, die etwa vom weltgrößten Erzeuger, der Firma Cargill, stammt. Und auch nicht von Valrhona, selbst wenn dagegen von der Qualität her nichts zu sagen ist.

STANDARD: Und warum gibt es nicht mehr Produzenten, die auch wirklich von der Bohne weg erzeugen?

Zotter: Weil der ganze Vorgang in Wahrheit sehr aufwändig ist, viel aufwändiger als beispielsweise bei Kaffee, wo man nicht mehr als einen Kaffeeröster braucht. Um aber Schokolade zu machen, braucht man eine Ausrüstung, die mindestens drei Millionen Euro kostet. Das ist eine Investition, die sich für viele kleine Erzeuger gar nicht auszahlt, darum kaufen die ihre Schokolade zu. Es ist eben wie überall in der Wirtschaft heutzutage: outsourcen, was nur geht. Bean to Bar ist aber das Gegenteil von Outsourcing, es ist Insourcing!

STANDARD: Was ist der große Vorteil bei einer Bean-to-Bar-Erzeugung, wie Sie selbst sie betreiben?

Zotter: In erster Linie die Nachvollziehbarkeit. Zum einen weiß ich genau, wo und unter welchen Umständen meine Bohnen erzeugt werden. Und zum anderen kann ich auf diese Art die Qualität kontrollieren, weil ich weiß, von welchem Erzeuger sie stammen. Sollte darunter ein Saubartl sein, der mir schlechtere Ware verkauft, dann hab ich ihn gleich! (lacht) Dazu kommt, dass gute Schokolade nicht erst hier entsteht, sondern bereits beim Kakaobauern, nämlich durch die Art, wie er seine Pflanzen behandelt, wie reif die Früchte sind, wann er sie erntet, welche Sorte er wo anbaut, wie lange und auf welche Art er die Bohnen fermentiert und einiges mehr. So entstehen auch individuelle und regionale Unterschiede, die man in dunkler Schokolade sehr gut herausschmeckt - bei Milchschokolade spielt das alles natürlich eine weniger wichtige Rolle.

STANDARD: In letzter Zeit ist viel die Rede von "Raw Chocolate", also roher Schokolade, die aus Bohnen gemacht wird, die nicht fermentiert werden. Ist die wirklich besser?

Zotter: Also Schokolade aus völlig unfermentierten Bohnen schmeckt nicht - obwohl manche Raw-Freaks sie trotzdem erzeugen. Aber es stimmt, dass durch die Fermentation und die Röstung einige Geschmacksstoffe sowie gesunde Polyphenole und das stimulierende Theobromin zerstört werden - laut Studien bis zu 34 Prozent davon. Also gehen wir einen Mittelweg und fermentieren und rösten unsere Raw-Schokolade nur ganz leicht, wodurch sie das alles bewahrt und trotzdem schmeckt. Darum glaube ich in aller Bescheidenheit, dass wir die beste Raw-Schokolade der Welt machen.

STANDARD: Und wie sieht es mit Schokolade aus wildwachsendem Kakao aus? Davon wird zurzeit auch sehr viel gesprochen.

Zotter: Ja, da war es für uns nicht so einfach, an biologisch zertifizierte Bohnen zu kommen. Aber mittlerweile haben wir einen Lieferanten aus Bolivien gefunden, der wilden Kakao sammelt und ihn biologisch zertifizieren lässt.

STANDARD: Aber wieso brauchen Sie eine Bio-Zertifizierung für wildwachsenden Kakao? Ist der nicht per Definition naturnäher als biologisch gepflanzter?

Zotter: Schon, nur habe ich meinen ganzen Betrieb sowohl biologisch als auch mit dem Fair-Trade-Siegel zertifizieren lassen und will da keine Ausnahmen machen. Das geht es um unsere Grundhaltung und Firmenpolitik.

STANDARD: Wenn Sie schon so bedacht auf Nachhaltigkeit sind, warum lassen Sie sich Ihren Kakao dann nicht von umweltschonenden Segelschiffen bringen, wie das inzwischen einige andere Chocolatiers machen?

Zotter: Die Idee gefällt mir gut, und ich bekomme das auch immer wieder angeboten. Das Problem ist nur, dass ich dann deren Qualität kaufen muss und nicht selber aussuchen kann, von welcher Plantage ich die Bohnen beziehe. Da stellt sich dann auch wieder das Problem der Zertifizierungen. Und um eine Ladung für mich alleine zu bestellen, verbrauche ich einfach nicht genug, dafür ist der Betrieb zu klein.

STANDARD: Was hat es mit der Blutschokolade auf sich, die Sie Besuchern Ihres Betriebs zum Kosten anbieten?

Zotter: Die Idee dazu geht auf den früheren Kärntner Landeshauptmann Haider zurück, der behauptete, dass ein EU-Beitritt Österreichs dazu führen würde, dass es auch bei uns bald Schokolade, die zum Teil aus Blut erzeugt ist, geben würde. Damals waren viele Leute besorgt und fragten mich, ob ich so eine Abscheulichkeit hoffentlich eh niemals machen würde.

Irgendwann reichte es mir, und da hab ich diese Schokolade gemacht - gemischt mit frischem Schweineblut. Zudem soll sie daran erinnern, das Schokolade in den Ursprungsländern wie Ecuador oder Mexiko seit Jahrhunderten auch als Würzmittel verwendet wird, zum Bereiten von Saucen zu Fleischgerichten. (Georges Desrues, Rondo, DER STANDARD, 21.3.2014)