Das Urteil zur Krim ist klar: eklatant völkerrechtswidrig. Es gibt, außerhalb des kolonialen Bereichs, kein Recht auf Sezession, der Schutz der staatlichen Souveränität und Integrität geht vor. Wenn die Abstimmung auch noch unter Aufsicht einer fremden militärischen Macht erfolgt, dann ist das Ergebnis, unabhängig von seinem Ausgang, irrelevant. Mag sein, dass die Zuordnung der Krim zur Ukraine durch Chruschtschow als innenpolitische Geste gedacht war. Mit dem Zerfall der UdSSR wurden jedoch gemäß dem "uti possidetis"-Prinzip Innen- zu Außengrenzen, und an diesem Prinzip will die Staatengemeinschaft - im Interesse der Stabilität der internationalen Ordnung - festhalten.

Was ist vom überwältigenden Votum für eine Abspaltung zu halten? Eine wirklich freie Abstimmung hätte wahrscheinlich kein plebiszitäres Ergebnis erbracht, angesichts von Geschichte und Bevölkerungsstruktur der Krim aber wohl dennoch eine Mehrheit für die Abspaltung. Was ist von der Selbstbestimmung zu halten? Was vom Recht auf Demokratie?

Die Staatengemeinschaft ist an der Einführung basisdemokratischer Verfahren zur Abgrenzung der souveränen Hoheitsgebiete nicht interessiert - aus gutem Grund, wenn man sich die damit verbundene Gefahr einer völligen Destabilisierung vor Augen führt. Noch nachdrücklicher wird im Völkerrecht die Einhaltung der Verfahren verteidigt. Eine Volksabstimmung unter fremder bewaffneter Aufsicht kann niemals internationale Anerkennung finden. Das dürfte auch das zentrale Sanktionsinstrument des Westens darstellen. Diesem Instrument kommt im Völkerrecht ein erhebliches Gewicht zu, und es kann, zumindest auf mittlere Frist, erhebliche Wirkungen zeitigen.

Die Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine erscheint auf absehbare Zeit nicht möglich. Eine Verschärfung der Gangart mit einschneidenden Sanktionen wäre von ungewissem Erfolg und für den Westen selbstschädigend. Andererseits drohen Gesichtsverlust und untragbare Präzedenzwirkungen mit Aushöhlung zentraler völkerrechtlicher Prinzipien, auf denen die UN-Friedensordnung fußt.

Die ideale Lösung läge in der Einführung einer weitreichenden Autonomie für die Krim. Jeder Versuch einer Statusänderung muss gemäß Verfahren geschehen, die im Völkerrecht aus leidvollen Erfahrungen der Vergangenheit heraus entwickelt worden sind. Trotz zahlreicher Rückschläge hat die Friedensordnung seit 1945 bewiesen, dass der eingeschlagene Weg der richtige war. (Peter Hilpold, DER STANDARD, 19.3.2014)