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Ist nicht nur beim Karneval in Köln angekommen: Peter Stöger.

Foto: APA/dpa/Vennenbernd

Um den 1. FC Köln zu charakterisieren, wird oft das Bild des "schlafenden Riesen" bemüht: Köln ist eine fußballbegeisterte Millionenstadt, das Stadion mit 50.000 Plätzen ist selbst in der zweiten Liga gut ausgelastet, das wirtschaftliche Umfeld ist hervorragend. Trotzdem hat es in den letzten 15 Jahren niemand geschafft, diesen Traditionsklub dauerhaft in der Bundesliga zu etablieren. Nicht zuletzt dank der sportlichen Regie eines Österreichers blicken die Kölner derzeit wieder optimistisch in die Zukunft. Die Faktoren für Peters Stögers gute Zwischenbilanz in Köln:

  • Der Pragmatiker

Es ist nicht zu leugnen, dass das runderneuerte Kölner Management um Sportchef Jörg Schmadtke dem ehemaligen Teamspieler einen sehr guten Zweitligakader zur Verfügung gestellt hat. Doch die Zeiten, als Köln dank finanzieller Überlegenheit der direkte Rückmarsch in die Beletage gelang, sind vorbei: Der Klub ächzt nach dem Abstieg 2012 unter 30 Millionen Euro Schulden, Platz eins ist keine Selbstverständlichkeit. Vor der Runde wurden der 1. FC Kaiserslautern mit seinem Topsturm und Absteiger Greuther Fürth mit seiner talentierten Mannschaft ähnlich stark, wenn nicht sogar noch stärker als Köln eingeschätzt. Auch der Saisonenttäuschung Fortuna Düsseldorf wurden ursprünglich gute Aufstiegschancen eingeräumt. Zudem ist die zweite deutsche Liga immer für Überraschungen gut, was im Vorjahr Eintracht Braunschweig und aktuell der SC Paderborn eindrucksvoll unter Beweis stellen.

Stöger klagte im Sommer nicht darüber, dass der Kader erst am letzten Transfertag vervollständigt wurde, sondern formte in der Hinrunde eine Mannschaft, die zeitweise ein attraktives Umschaltspiel kultivierte und die vor allem bis heute die größte Konstanz im Aufstiegsrennen besitzt. Auffällig: Stöger zeigt keine Scheu vor großen Namen. Der 46-Jährige setzte den Ex-Nationalspieler Patrick Helmes auch mal auf die Bank, wenn es taktische Erwägungen verlangten. Die taktische Flexibilität des FC, für die Cotrainer Manfred Schmid mitverantwortlich zeichnet, ermöglichte im Cup den Überraschungserfolg gegen den FSV Mainz 05 (1:0). Mit dem Hamburger SV brachte Köln im Achtelfinale einen weiteren Erstligisten an den Rand einer Niederlage (1:2).

  • Der Spielerversteher

Stöger weiß mit den unterschiedlichen Charakteren einer Mannschaft umzugehen. Ein Beispiel: Unter Stögers Vorgänger Holger Stanislawski war nach dem Bundesligaabstieg Matthias Lehmann als Korsettstange für das Mittelfeld verpflichtet worden. Doch der Erst- und Zweitligaerfahrene Lehmann erfüllte nie die hohen Erwartungen. Der 30-Jährige litt unter den Pfiffen der Fans, die ihn als leistungsschwachen Trainerliebling abgestempelt hatten, und fand in der gesamten Saison nicht seine Form. Nach dem verpassten Aufstieg und dem Rücktritt von Stanislawski war Lehmann mental am Boden und schien im Sommer bei Stögers Ankunft endgültig auf dem Abstellgleis angekommen zu sein.

Doch Stöger hob ihn auf, sprach Lehmann wider alle Erwartungen der Öffentlichkeit sein Vertrauen aus und verhalf ihm so zu neuem Selbstbewusstsein. In der Folge avancierte Lehmann auf Anhieb zu einem der besten defensiven Mittelfeldspieler der Liga. Abgesehen vom vielzitierten Kevin Wimmer gelang es Stöger, noch weitere Spieler entscheidend zu verbessern. So hat sich der 26-jährige Spielgestalter Daniel Halfar zu einem Zweitliga-Spitzenspieler entwickelt, während die Talente Yannik Gerhardt und Jonas Hector zu den heißesten Aktien des Unterhauses herangereift sind.

Anders als in den skandalträchtigen Vorjahren bot der FC in dieser Saison kein Futter für den Boulevard. Stöger hat daran seinen Anteil: Er hält die Ersatzspieler bei Laune, gibt ihnen immer wieder Spieminuten und war so schon oft in der Lage, von der Bank neue Impulse zu setzen. "Er zeigt allen, dass sie wichtig für die Mannschaft und den Erfolg sind, auch Nummer 12 bis 33 im Kader. Er schafft es so, dass niemand resigniert und im Training kein Vollgas gibt", erklärte Legionär Kevin Wimmer im Februar. Einzige Ausnahme: Das ewige Talent Adil Chihi, dessen Vertrag im Sommer ausläuft. Ihn hat Stöger in die zweite Mannschaft versetzt, weil er aus seiner Sicht nicht mehr mitzog.

  • Der Medienversteher

Köln ist eine Medienstadt. Täglich erscheinen mehrere Zeitungen, mit der "Bild" und dem Platzhirsch "Express" sogar gleich zwei Boulevardblätter. Neben dem Privatsender RTL hat mit dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) auch die größte Landesanstalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ihren Sitz in der Metropole. Der FC steht im Mittelpunkt des Sportinteresses, Journalisten und Fotografen beobachten die öffentlichen Trainingseinheiten - bei gutem Wetter auch mal zusammen mit hunderten Fans. Peter Stöger wandelt bisher erfolgreich auf einem schmalen Grat: Er befriedigt das berechtigte Medieninteresse und wahrt die professionelle Distanz.

Die Medien verfolgen die Arbeit des Österreichers folglich mit einem gewissen Wohlwollen, auch weil Stöger den Journalisten mit seiner offenen Art die Arbeit leicht macht und ihnen ab und zu ein Bonbon darreicht. Mit seiner Facebook-Seite hat sich Stöger zudem einen direkten Kanal zu den Fans geschaffen, den er auch rege nutzt. Die aktive Medienarbeit sollte man in Köln nicht vernachlässigen: Ruhige und wortkarge Übungsleiter wie Zvonimir Soldo, einer von Stögers zahlreichen Vorgängern der letzten Jahre, haben es in Köln schwerer und geraten bei Ergebniskrisen schnell ins Visier der Redaktionen. Wichtig: Bei aller Mediennähe wirkt Stöger authentisch in seinem Auftreten und nicht eitel.

  • Der Ruhepol

In dieser Saison durchlief der 1. FC Köln bisher zwei schwierige Phasen. Beide Male blieb Stöger besonnen. Als der Saisonstart mit drei Punkten aus drei Spielen wie im Vorjahr zu misslingen schien, strahlte Stöger Ruhe aus und ließ so keine Panik aufkommen. Mit dem 4:1-Sieg gegen Erzgebirge Aue am 6. Spieltag war der Bann dann endgültig gebrochen, der FC holte in der Folge 17 Punkte aus sieben Spielen. Potenzial zu einer kleinen Krise deutete sich erst zum Ende der Hinrunde wieder an, als Köln zwei von drei Saisonniederlagen hintereinander kassierte und gegen die Mittelfeldteams Bochum und Ingolstadt jeweils mit 0:1 unterlag.

Doch Stöger blieb auch hier ruhig und stellte lieber das System um, als Spieler der Symbolwirkung wegen zu degradieren. In der Folge korrigierte Köln gegen den FC St. Pauli erfolgreich den Kurs und besiegte den Aufstiegskonkurrenten mit 3:0. Entscheidend: der Faktor Stöger, findet ÖFB-Teamspieler Wimmer: "Er bleibt immer sehr ruhig und bringt nach Niederlagen keine Hektik in die Mannschaft rein."

Derzeit befindet sich der FC in seiner dritten schwierigen Saisonphase. Der Start ins neue Jahr verlief holprig. Zu Beginn unterlag Köln dem Überraschungsteam Paderborn mit 0:1. Gegen die Abstiegskandidaten Erzgebirge Aue (2:2) und Energie Cottbus (2:1) sicherten sich die Rheinländer erst in den Schlussminuten insgesamt vier Punkte. Die Bilanz im Jahr 2014 sieht mit neun Punkten aus sechs Spielen besser aus, als manche Spielleistungen es erwarten ließen. Der Schwung der Hinrunde ist ein gutes Stück verlorengegangen. Doch Stöger stellt sich vor seine Mannschaft und lobt das junge Team immer wieder für sein wackeres, wenn auch nicht mehr so inspiriertes Spiel.

Stöger weiß: Gegen Konkurrent Fürth (1:1) brachte die Kölner ein eigentlich irreguläres Tor in der Schlussphase um die drei Punkte. Und auch das schal anmutende 0:0 gegen den 1. FC Kaiserslautern vom Montag, als sich die Kölner ohne Gegenstoßexperte Marcel Risse (Muskelfaserriss, acht Saisontore) weitgehend auf die Defensive beschränkten, hat seinen Wert: Die Pfälzer sind der Angstgegner der Kölner und versetzten in der Vorsaison den Kölner Aufstiegsambitionen den entscheidenden Schlag (0:3). Die Nullnummer hält Lautern weiter auf Abstand, zehn Punkte aus neun Spielen sind kaum aufzuholen. Das Kölner Restprogramm hält nun einige vermeintlich leichte Aufgaben bereit. Bereits in den kommenden beiden Partien gegen den VfR Aalen (Samstag, 13 Uhr) und den Karlsruher SC kann die Elf einen großen Schritt in Richtung Aufstieg und Bundesliga machen.

Ausblick: Problemzone Offensive

Für das große Ziel "Aufstieg" muss der Austria-Meistercoach aber noch das größte Problem der Kölner lösen. Dauerthema seit der umjubelten Verpflichtung von Rückkehrer Patrick Helmes ist der Angriff. Der Ex-Nationalspieler und sein Sturmkollege Anthony Ujah (7 Tore und 3 Torvorlagen), im Sommer für rund zwei Millionen Euro fix von Mainz 05 verpflichtet, sind den hohen Erwartungen bisher nicht immer gerecht geworden. Ujah lässt noch zu oft technische Mängel erkennen, während Helmes nach zwei Kreuzbandrissen derzeit "nur" gehobenes Zweitliganiveau verkörpert (7 Tore und 5 Torvorlagen). Den Fans fällt es schwer zu akzeptieren, dass das ehemalige Toptalent womöglich nie mehr sein altes Niveau erreichen wird.

Schon in der Hinrunde brodelte das Sturmthema vor sich her, mittlerweile hakt es in der gesamten Offensive: Sechs Tore in sechs Spielen sind zu wenig, vor allem Treffer des im Jahr 2014 zunächst formschwachen und dann verletzten Risse aus der zweiten Reihe werden schmerzlich vermisst. Stöger muss die Offensive wieder ins Laufen bringen - sonst wird der Aufstiegskampf zum Schneckenrennen. (Jörn Wenge, derStandard.at, 21.3.2014)