Es wandern mehr Hochqualifizierte aus Österreich aus, als zurückkommen.

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Angst vor Überfremdung, Schwierigkeiten bei der Integration oder humanitäre Katastrophen sind häufige Assoziationen beim Thema Migration. Dass Migration aber nicht nur Probleme, sondern vor allem auch viele Chancen bietet, möchte das aktuelle Trend-Update des Zukunftsinstituts aufzeigen. Denn noch nie haben so viele Menschen ihre Heimatländer verlassen wie in den letzten Jahren. Und nüchtern betrachtet wandert der Großteil aus, um seine Talente entfalten und ein besseres Leben führen zu können, heißt es im Trend-Update. Ein wesentlich geringerer Anteil muss das Land aus der Not heraus verlassen.

Abwanderung gut Ausgebildeter

Laut „World Migration in Figures“ der Vereinten Nationen gilt für fast alle Länder, dass die Emigrationsrate der gut Ausgebildeten die der Niedrigqualifizierten übertrifft. Österreich ist hier keine Ausnahme. „Im internationalen Vergleich verzeichnet Österreich eine sehr hohe Abwanderung von Hochqualifizierten“, sagt Wolfgang Eder, Vorstandsvorsitzender der Voestalpine AG, bei der Pressekonferenz an der Uni Wien zu „Brain Circulation: Österreich braucht High Potentials“. 

Von den rund 22.000 Österreichern, die 2012 ausgewandert sind, hat ein Drittel einen Pflichtschulabschluss, ein weiteres Drittel einen Lehrabschluss bzw. eine berufsbildende mittlere Schule (BMS) absolviert. Die Restlichen haben Maturaabschluss, 16 Prozent davon einen Hochschulabschluss. „In Summe wandert fast jeder achte Hochqualifizierte aus Österreich ab“, ergänzt Eder. Für den Wirtschaftsstandort Österreich, aber auch im internationalen Wettbewerb sei das dramatisch. Dieser Braindrain sei nicht zu ersetzen, da es keine ausgleichende Zuwanderung von Hochqualifizierten gebe, so Eder weiter.

Negativer Wanderungssaldo

Seit Jahren übertrifft die Zahl der Abwanderer jene der Rückkehrer, so die Auswertung der Statistik Austria. Den rund 20.000 jährlichen Wegzügen österreichischer Staatsbürger stehen rund 15.000 Rückkehrer gegenüber. Vor allem junge Erwachsene zwischen 25 und 35 Jahren verlassen Österreich. Für Hochqualifizierte sei Österreich weniger attraktiv. Nur 18 Prozent der Zuwanderer würden über einen tertiären Bildungsabschluss verfügen. Im OECD-Vergleich liegt Österreich damit auf dem 28. Platz.

Es ziehen aber nicht nur inländische Hochschulabsolventen ins Ausland, sondern auch ausländische Studierende nach Beendigung des Studiums. Die Verbleiberate liegt in Österreich laut OECD unter 20 Prozent, die Rot-Weiß-Rot-Karte für Studienabsolventen wurde 2013 lediglich 214-mal ausgestellt. Im Vergleich dazu die Vereinigten Staaten: Hier waren knapp 70 Prozent der Migranten, die im Jahr 2000 an einer amerikanischen Universität promoviert haben, fünf Jahre später noch immer dort und leisten einen wertvollen Beitrag. So stehen hinter mehr als der Hälfte der Start-ups im Silicon Valley und der angemeldeten Patente hochqualifizierte Migranten, obwohl sie nur 15 Prozent der Bevölkerung ausmachen.

Ausbildungsrendite steigern

„Österreich erbringt eine hohe Ausbildungsleistung, sollte aber überlegen, wie es eine höhere Ausbildungsrendite erzielt“, sagt Heinz Faßmann, Vizerektor der Universität Wien. Derzeit sei Österreich häufig nur ein Durchzugsland. „Der Grund liegt aber nicht im Mangel an adäquaten Jobs“, merkt Eder an. Vielmehr sei die hohe Belastung des Faktors Arbeit für Junge nicht attraktiv. Ziel müsse sein, von dem derzeitigen Braindrain zu einer Brain-Circulation zu kommen, ergänzt Heinz W. Engl, Rektor der Universität Wien. Denn Wissenschaft und Wirtschaft würden von der internationalen Vernetzung profitieren, so Engl weiter.

Damit Österreich im internationalen Vergleich nicht weiter an Attraktivität verliert, sei die Politik gefordert, ergänzt Eder. (Gudrun Ostermann, DER STANDARD, 22./23.3.2014)