Beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel wurde am Donnerstag eine vorläufige Einigung zur Bankenunion erzielt. Der gemeinsame Fonds, aus dem das Geld für Bankenhilfen in Zukunft stammen wird, soll nun schon zwei Jahre früher kommen. Die Abwicklung von Banken bleibt weiter kompliziert, eine gemeinsame Einlagensicherung ist im Kompromiss nicht vorgesehen. derStandard.at beantwortet die fünf wichtigsten Fragen zum Thema.
Worum geht es überhaupt?
Manche halten die Bankenunion für das größte Gemeinschaftsprojekt Europas seit der Einführung des Euro. Der Ökonom Daniel Gros meinte im Gespräch mit derStandard.at, dass die Eurokrise mit Bankenunion so nicht passiert wäre. Ziel ist, Sparer und Steuerzahler in Europa besser vor den Folgen einer Bankenkrise zu schützen und stattdessen die Finanzbranche, also Eigentümer, Aktionäre oder Gläubiger, aber auch große Sparer stärker zur Kasse zu bitten. Eine Zahl zeigt recht eindrücklich, worum es hier geht: Seit Ausbruch der Finanzkrise 2008 haben europäische Staaten marode und gefährdete Banken mit rund 1,6 Billionen Euro an Garantien oder Kapitalspritzen gestützt.
Was ist nun neu?
Jahrelang stritten und verhandelten die Finanzminister Europas über politische Grundlinien, nun hat man sich geeinigt. Das EU-Parlament muss die Beschlüsse verabschieden, das sollte noch vor der Europawahl stattfinden. Zudem sind die Mitgliedsstaaten gefragt, auch sie müssen den Vorschlägen zustimmen. Dabei gibt es immer wieder Kritik an der Bankenunion. Gerade in Anbetracht der vergangenen Jahre der Krise befürchten die wirtschaftlich besser dastehenden Staaten, zum Handkuss zu kommen, wenn ein Krisenland und seine Banken straucheln.
Die Bankenunion wird auf drei Säulen stehen. Eine gemeinsame Aufsicht durch die Europäische Zentralbank soll noch im Herbst starten. Säule zwei, die Abwicklungspläne für marode Geldhäuser, und der Abwicklungsfonds als dritter Punkt sind nun seit Donnerstag auf Schiene. Der Fonds soll innerhalb von acht Jahren von den europäischen Banken aufgebaut werden. Erst 2023 soll der Fonds dann mit den vorgesehenen 55 Milliarden Euro gespeist sein. "Eine Mickey-Mouse-Einrichtung", wie Wifo-Experte Franz Hahn urteilt. Damit könne man gerade einmal eine Bank in der Größenordnung der Kärntner Hypo auffangen. Problemen einer wirklich systemrelevanten Bank sei mit einer solchen Summe in keiner Weise beizukommen.
Für jene Banken, die einzahlen müssten, fielen die Beiträge jedenfalls kaum ins Gewicht, so Hahn. Ursprünglich sollte auch eine einheitliche Einlagensicherung Teil der Bankenunion sein, nach massivem Protest aus dem deutschen Sparkassenlager wurden diese Pläne aber wieder gekippt. Realistisch sind diese Pläne laut Hahn ohnedies nicht gewesen. Das derzeit vorgesehene Konzept ordnet er als "institutionelle Grundausstattung" ein. Sinnvoll sei wohl die gemeinsame Aufsicht mit tauglicheren Stresstests, die geeignet sein könnten, bereits im Vorfeld Probleme zu identifizieren.
Woher sollen die 55 Milliarden Euro kommen?
Das ist derzeit noch umstritten. Frankreich plädiert dafür, dass auch kleinere Banken mitzahlen müssen. Deutschland will das Geld von den größeren Banken holen. Für Hans-Peter Burghof, Professor für Bankenwirtschaft an der Uni Hohenheim, ist das wenig überraschend. Frankreich habe die größeren Banken, so Burghof im Gespräch mit derStandard.at. Geht es nach ihm, sollten diese großen Banken auch die 55 Milliarden Euro aufbringen. "Das deutsche Bankensystem ist von der Struktur her viel weniger riskant. Die kleinen und mittelgroßen Banken stabilisieren das System."
Die Idee einer Bankenunion sei es ja auch, dass man die Institute belaste, die für große Risiken sorgen. Für Burghof sind die 55 Milliarden aber zu wenig, man müsse die Haftungen für den Privatsektor noch ausweiten. Die 100.000-Euro-Grenze, unter der alle Einlagen europaweit gesichert sind, hält er für übertrieben. "Da müssen Sie mir zeigen, wie viele davon Kleinanleger sind. In Zypern haben wir sicher viele Oligarchen mitgerettet."
Nach dem Willen der EU-Staaten soll der Abwicklungsmechanismus und damit auch der Fonds für ungefähr 130 Großbanken gelten. Ebenjene Banken, die auch unter der europäischen Bankenaufsicht stehen. Insgesamt gibt es in der Eurozone um die 6.000 Institute. Im Bedarfsfall könnten auch diese unter die Fittiche des Abwicklungsfonds schlüpfen.
Wer schickt nun eine Pleitebank in die Pleite?
Über die Frage, wer am Ende die Entscheidung trifft, dass eine Bank zusperren muss, haben die Verhandler besonders lange gestritten. Die EU-Kommission hätte gerne selbst entschieden, die Mitgliedsstaaten wollten aber ein Mitspracherecht behalten. Nun wurde ein Kompromiss erzielt, bei dem zu befürchten ist, dass schnelle Entscheidungen wiederum kaum möglich sein werden. Eine Bankenabwicklung wird in erster Linie von der EZB-Aufsicht angestoßen werden. Dann befasst sich das Steuerungsgremium des Fonds (Board) mit dem Fall. Die EU-Kommission kann das Votum des Boards zurückweisen oder annehmen. Nimmt die Kommission an und erheben die Mitgliedsstaaten keinen Einspruch, soll eine Abwicklung der Bank innerhalb von 24 Stunden eingeleitet werden.
Wie wird eine Bank abgewickelt?
Wenn eine Bank umstrukturiert oder geschlossen werden muss, muss sie zuerst selbst versuchen, auf dem Finanzmarkt die nötigen Mittel aufzustellen. Geht das schief, sind die Eigentümer, Aktionäre, Gläubiger und große Sparer dran. Bail-in heißt das dann. Bail-out ging als Begriff in die Geschichte ein, seitdem Banken im großen Stil mit Staatsgeldern aufgepäppelt oder am Leben erhalten wurden. Erst danach kommt der Abwicklungsfonds ins Spiel. Sollte das immer noch nicht reichen, stehen am Schluss wieder die Steuerzahler des Staates für die marode Bank gerade. (rebu, roda, sat, Reuters, derStandard.at, 20.3.2014)