Wien - Ein Abend im Zeichen der Schlankheit und der Ökonomie. Markus Stenz dirigiert die Wiener Symphoniker und eröffnet das Programm mit Richard Wagners Siegfried-Idyll. Licht und zart, mit einer berührenden Sanftheit und Behutsamkeit strömen die F-Dur- Klänge in den Großen Saal des Konzerthauses. Eine intime Atmosphäre, wohl noch entspannter als bei der Uraufführung, bei der im engen Stiegenhaus von Wagners Wohnhaus in Triebschen am Vierwaldstättersee einige Mitglieder des Tonhalle-Orchesters Zürich Wagners Geburtstagspräsent an dessen Ehefrau Cosima intonierten. An heiliger Inbrunst, an kalorienschwerem Pathos ist dem Generalmusikdirektor der Stadt Köln nicht gelegen; wie die musikalische Schilderung eines der ersten Frühlingstage nimmt man das Stück wahr. Alles ist Gelöstheit und Glück. Ein Idyll.
Sehr entspannt, sehr routiniert dann der Auftritt von Sergej Khachatryan mit Aram Chatschaturjans Violinkonzert. Der 28-jährige Armenier ist in jungen Jahren nach Deutschland übersiedelt und wurde in Karlsruhe von Josef Rissin ausgebildet. 2005 hat Khachatryan den Reine-Elisabeth-Wettbewerb in Brüssel gewonnen.
Vitalität und Intensität sind bei ihm immer verbunden mit Elastizität und Eleganz. Der fette, süffige Ton der russischen Schule und das zirkusnahe Musikantentum eines Maxim Vengerov finden sich bei Khatchatryan nur in abgeschlankter, reduzierter Weise wieder. Khachatryan ist ein differenzierter Erzähler, feingliedrig wie seine Physis ist auch sein Spiel. Im letzten Drittel des langsamen Satzes geht er über die routinierten Emotionsaussagen eines virtuosen Solisten hinaus, öffnet sich und beginnt persönlicher zu sprechen. Ein leises Volkslied, Der Aprikosenbaum, als Zugabe.
Auch bei Johannes Brahms' erster Symphonie beeindruckt Stenz dann mehr bei den Passagen mit leichtem lyrischem Fluss wie etwa dem Beginn des dritten Satzes. Den Fortissimo-Stellen fehlt es an der letzten emotionalen Dringlichkeit, an Kompaktheit und Härte.
Die Symphoniker arbeiten solide, eine Steigerung der Initiativkraft einzelner Tutti-Streicher scheint jedoch noch vorstellbar. Beeindruckend die Querflöte im Più Andante des Schlusssatzes: Das ist wirklich Forte, sempre e passionato, und verbreitet Aufbruchsstimmung. Freundlicher Applaus. (Stefan Ender, DER STANDARD, 21.3.2014)