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Kurssuche am Kapitalmarkt. Wohin geht die Reise? Wer sich die Daten über mehr als hundert Jahre ansieht, stellt fest: Risiko zahlt sich trotz oft dramatischer Rückschläge aus.

Foto: Reuters/Stringer

Wien - Die Pension ist eine Frage der Zeit. Wie lange wurde gearbeitet, wie viele Versicherungsmonate erworben? Das ist auch bei der finanziellen Vorsorge wahr. Wenn sich Investoren die Kapitalmärkte der vergangenen 114 Jahre ansehen, dann ist auch der Anlageerfolg ein Kind der Zeit. Elroy Dimson erarbeitet zusammen mit zwei Co-Autoren jährlich das Credit-Suisse-Jahrbuch für globale Investmentrenditen. Es ist eine Zeitreise durch die globalen Kapitalmärkte seit 1900 und bietet damit einen Anker für langfristig orientierte Anleger - von Investmentideen, die langfristig aufgegangen sind. Der Anker heißt: Risiko zahlt sich aus. In allen 23 untersuchten Märkten haben Aktien auf Sicht von 114 Jahren Anleihen geschlagen. Doch Aktien sind auch ein riskantes Investment und haben in einem Jahr bis zu 90,8 Prozent real an Wert verloren (Deutschland im Jahre 1948).

Für Dimson zeigt sich in den Daten vor allem eines: "Diversifikation reduziert klar das Risiko. Sie ist wohl der letzte ,Free Lunch' auf dem Kapitalmarkt", sagte er dem STANDARD. Mit dem geflügelten Wort meint der emeritierte Professor der London Business School, dass es am Kapitalmarkt selten etwas gratis gibt. Wer mehr Rendite möchte, muss auch mehr Risiko eingehen. Einzig mit Diversifikation gibt es etwas "gratis". Nicht nur Aktien eines Landes sollten Investoren halten, sondern Klumpenrisiko vermeiden und weltweit das Risiko streuen. Denn bei einzelnen Aktienmärkten kann es immer wieder schlecht laufen, aber es ist schwer zu sagen, welche die Nieten sein werden.

Fetisch der Österreicher

Damit kritisiert Dimson einen grundlegenden finanziellen Fetisch, den auch viele Österreicher haben. Sie investieren nur in heimische Unternehmen und Finanzpapiere. "Home Bias" heißt dieser Fehler bei den Verhaltenspsychologen. Was der Anleger nicht kennt, kauft er nicht. "Gerade auch verhaltensökonomische Studien zeigen immer wieder, dass es so etwas wie finanziellen Patriotismus gibt. Anleger trauen heimischen Unternehmen mehr zu", bestätigt auch Josef Zechner. Er ist Professor für Finance und Investments an der Wirtschaftsuniversität Wien und Mitglied der wissenschaftlichen Leitung des Vermögensverwalters Spängler Iqam Invest.

Auch in Österreich war der "Home Bias" ein teurer Fehler. Seit 1900 war die heimische Börse die schwächste weltweit, zeigt das aktuelle Jahrbuch von Dimson. Dabei sei die Streuung von Risiko über Anlageformen "ein einfaches, aber mächtiges Rezept", betont Zechner: "Finanzinnovationen machen es zudem immer leichter, sich um die Diversifikation zu kümmern, etwa über Indexfonds, ETFs oder aktive Fonds."

Teure Fehler vermeiden

Zuletzt hat Dimson auch untersucht, ob es sich für Investoren auszahlt, in besonders wachstumsträchtige Anlageregionen wie Schwellenländer zu investieren. "Diversifikation ist viel einfacher zu haben, als die perfekte Prognose für die aussichtsreichsten Wachstumsmärkte. Investoren zahlen gemeinhin zu viel für Wachstumspotenzial und schmälern so ihre Erträge."

Stattdessen lohne es sich sogar, ungeliebte Regionen zu bevorzugen, also antizyklisch zu agieren. Dimson, der auf Einladung des Spängler Iqam Research Centers in Wien war, ist auch Leiter des Strategie-Beirats von Norwegens Staatsfonds, der mit knapp 600 Milliarden Euro zu den größten institutionellen Investoren der Welt zählt. "Der Staatsfonds zwingt sich zu antizyklischen Investments und kaufte etwa 2008 Aktien. Für langfristig orientierte Investoren zahlt es sich aus, prozyklisches Verhalten zu vermeiden."

Zu guter Letzt unterschätzen noch viele Investoren das Problem hoher Kosten. "Die Norweger konzentrieren sich stark auf die Vermeidung hoher Verwaltungskosten, das trägt zum Ertragsergebnis bei", sagt Dimson. "Vom Staatsfonds können auch Privatanleger etwas lernen." Auch private Anleger könnten zu günstigen Finanzprodukten greifen und damit ihre Erfolgsaussicht erhöhen. Wer die Tipps aus 114 Jahren Kapitalmarktgeschichte beherzigt - Diversifikation, antizyklisches Investieren, langer Horizont, wenig Kosten - kann so teure Fehler vermeiden. (Lukas Sustala, DER STANDARD, 21.3.2014)