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Aufräumarbeiten am Asowschen Meer: Ein leck gewordener Tanker hatte Heizöl verloren.

Foto: AP/Sergei Grits

Moskau - Der Frühling ist auf der Krim eingezogen. Weiß blühen die Kirsch- und Marillenbäume. Rosa leuchten die Mandelblüten auf der mediterranen Halbinsel. Die Narzissen steuern ihr sanftes Gelb zum Farbenmeer bei. Es könnte fast idyllisch sein, wäre da nicht die Politik: Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine bedroht die Tourismussaison.

Der einseitig von Russland vollzogene Anschluss der Krim hat auch für das Asowsche Meer, das den Nordosten der Halbinsel - im touristisch interessanteren Süden liegt das Schwarze Meer - umspült, dramatische Konsequenzen: Gab es bisher zwischen Kiew und Moskau schon Streit um die genaue Demarkationslinie, dürfte sich dieser noch verschärfen, beansprucht Moskau doch nach dem Krim-Beitritt die Fahrrinne in der Meerenge von Kertsch vollständig für sich.

Ungewisse Zukunft der Häfen

Damit wird das Asowsche Meer quasi zu einem russischen Binnengewässer. Die Zukunft der ukrainischen Häfen, speziell der ostukrainischen Stadt Mariupol, ist ungewiss. Dem Hafen droht ein gewaltiger Einbruch. So zynisch es klingt: Für das Ökosystem des Asowschen Meers könnte sich der Konflikt damit sogar als Segen erweisen, schließlich ist Mariupol einer der größten Verschmutzer in der Region.

Laut dem Wissenschaftsjournal Biofile fließen aus der Stadt jährlich mehr als 800 Millionen Kubikmeter ungefilterte Abwässer ins Meer. Größter Verschmutzer ist das Stahlkombinat Asowstal von Milliardär Rinat Achmetow. Aber auch der Hafen leitet riesige Mengen an Schadstoffen ins Meer. Die Konzentration von Ammoniak, Eisen, Kupfer, Zink, aber auch Ölprodukten liegt jeweils weit über der zulässigen Norm.

Die Umweltkatastrophe von 2007

Freilich ist auch Russland in Bezug auf Umweltstandards kein leuchtendes Vorbild. Häfen und Schiffe lassen immer wieder Öl und hochgiftigen Schwefel ins Wasser. Einer der schlimmsten Vorfälle ereignete sich im November 2007, als bei einem Sturm insgesamt zehn Tanker untergingen, die meisten davon stammten aus Russland. 4000 Tonnen Schweröl und 7000 Tonnen Schwefel gerieten ins Wasser und verursachten eine Umweltkatastrophe.

Von der Antike bis ins frühe 20. Jahrhundert war das Asowsche Meer eines der fischreichsten Gewässer überhaupt. Obwohl das flachste Meer der Welt (maximale Wassertiefe 14 Meter) nur eine Fläche von 38.000 Quadratkilometern aufweist, war die Artenvielfalt grandios: 80 Fischarten, darunter Störe, Heringe, Makrelen und Sardinen, wurden hier gefangen. Inzwischen ist der Bestand allerdings aufgrund der massiven Umweltverschmutzung deutlich zurückgegangen.

Ansteigende Versalzung

Ein weiterer Grund für den Fischrückgang ist die ansteigende Versalzung im letzten Jahrhundert. Lag der Salzgehalt vor 60 Jahren noch bei 10,4 Prozent, so ist er inzwischen stellenweise auf fast 14 Prozent angestiegen. Don und Kuban, die größten Zuflüsse des Asowschen Meeres, wurden in der Sowjetunion stark reguliert. Für Bewässerungsmaßnahmen wurden riesige Mengen Wasser aus den Flüssen entnommen.

Auf diese Weise wurde das Gleichgewicht der Natur gestört. Der Einfluss des Schwarzen Meeres, dessen wesentlich salzigeres Wasser über die Meerenge von Kertsch einfließt, hat sich deutlich erhöht. Darüber hinaus sind im Zuge der intensiven Landwirtschaft rund um das Asowsche Meer zahlreiche Pestizide und Düngemittel ins Wasser gelangt.

Mehrere Cholerafälle

Welche Folgen die gnadenlose Wasserverschmutzung hat, mussten die Anrainer erst vor wenigen Jahren am eigenen Leib erfahren. 2011 nämlich wurden aus Mariupol mehrere Cholerafälle gemeldet. Bei der Untersuchung der Patienten stellten die Ärzte fest, dass sie Meergrundeln, einen in der Region beliebten Speisefisch, gegessen hatten, der als wahrscheinlichster Auslöser der Krankheitsfälle gilt.

Inzwischen, so versichern die Behörden, sei das Wasser wieder frei von Cholerabakterien. In der Urlaubsregion sind Meldungen über die schlechte Wasserqualität natürlich schlecht fürs Geschäft, aber leider sind sie noch kein Grund für ein grundsätzliches Gegensteuern. (André Ballin, DER STANDARD, 22.3.2014)