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Ein Arbeiter sammelt leere Wasserbehälter ein: Wie im Urlaubsort Playa del Carmen boomt das Geschäft mit dem Wasser in ganz Mexiko.

Foto: AP/Gregory Bull

Was aus Mexikos Wasserhähnen tropft, riecht im besten Falle nach Chlor, im schlechtesten stinkt es nach Fäkalien. Trinkbar sei es, behaupten die Behörden, doch Studien über die Wasserqualität sind rar, und den Behörden glaubt ohnehin kaum jemand. In Mexiko ist seit 2012 das Recht auf Wasser in der Verfassung verankert, und trotzdem ist es eines der Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Flaschenwasser.

82 Prozent der Mexikaner konsumieren einer Umfrage zufolge abgefülltes Wasser; 152 Liter pro Jahr im Schnitt, in der Hauptstadt sind es sogar 391 Liter. Der Staat hat kläglich versagt, die Trinkwasserversorgung seiner Bevölkerung sicherzustellen - und die privaten Konzerne machen den Reibach. Insgesamt 1,8 Mrd. Dollar nehmen sie jährlich mit Flaschenwasser ein. Doch der Gewinn bleibt in den Händen weniger: Gab es bis vor einigen Jahren noch zahlreiche lokale Abfüller, gehören heute fast alle den großen vier: Coca-Cola, Nestlé, Danone und Pepsico. Sie kontrollieren knapp 90 Prozent des Getränkemarktes.

29 Millionen Liter Getränke täglich

Der Abfüller Coca-Cola-Femsa mit Sitz im nordmexikanischen Monterrey ist der größte Getränkekonzern Lateinamerikas und verkauft täglich 29 Mio. Liter Getränke auf dem Kontinent. Allein in Mexiko besitzt das Unternehmen 13 Abfüllanlagen.

Möglich wurde dies durch die Verquickung privater mit öffentlichen Interessen. Die Getränkehersteller haben vom Staat billigst Konzessionen für zehn Millionen Kubikmeter Wasser bekommen, vor allem in der Zeit, als der ehemalige Coca-Cola-Manager Vicente Fox Präsident war (2000- 2006).

70 Prozent des Oberflächenwassers belastet

Auch Bergbaufirmen und die Exportlandwirtschaft buhlen um Konzessionen für das kühle Nass, das besonders in Zentral- und Nordmexiko knapp ist. Um Kläranlagen oder Umweltauflagen scherte sich jahrzehntelang niemand. Ergebnis: 75 Prozent des Oberflächenwassers sind nach Erhebungen der nationalen Wasserbehörde mit Schwermetallen und Pestiziden belastet, 95 Prozent der Flüsse sind biologisch tot.

Der Staat privatisiere ein öffentliches Gut, während hunderttausende Mexikaner dürsteten, kritisiert Gustavo Castro vom linken Forschungszentrum für gemeinschaftliche Wirtschafts- und Politikwissenschaften in Chiapas.

Versprochene Investitionen

Der Staat sei nicht in der Lage, die Wasserversorgung effizient für alle sicherzustellen, deshalb sei sie besser in privaten Händen aufgehoben, hält der neoliberale Exfinanzminister und aktuelle Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), José Angel Gurría, entgegen. Präsident Enrique Peña Nieto hat das Thema zur "Frage der nationalen Sicherheit" erklärt. Er hat Investitionen in die Wasserinfrastruktur versprochen und Privatleuten vorerst verboten, neue Brunnen zu graben. Die bestehenden Konzessionen werden nicht angetastet.

Das Problem ist noch viel umfassender: Die Plastikflaschen der Abfüllanlagen verschmutzen die Umwelt, für ihre Herstellung werden Unmengen Erdöls benötigt. Und weil die großen Gewinne nicht mit Wasser, sondern mit Erfrischungsgetränken gemacht werden, produzieren die privaten Konzerne vor allem diese. Um aber einen Liter Apfelsaft herzustellen, werden nach Angaben der Organisation Waterfoodprint 170 Liter Wasser benötigt, für einen Liter Milch 1020 Liter Wasser.

35 Millionen Menschen ohne Zugang zu Trinkwasser

35 Millionen Mexikaner haben hingegen offiziellen Statistiken zufolge keinen Zugang zu Trinkwasser. Das betrifft besonders ländliche Gegenden, in denen Indígenas leben. Der Staat ist dort kaum präsent - im Gegensatz zu den Lkws der Getränkekonzerne. Dort, aber auch in den Städten, ersetzt deren kalorienreiche Zuckerbrühe rasch das Wasser.

Mexiko ist Spitzenreiter im Pro-Kopf-Konsum von Erfrischungsgetränken, mit dramatischen Folgen für die Gesundheit. Angesichts der rasanten Verfettung der Bevölkerung dürfen seit 2011 in Schulkantinen weder Erfrischungsgetränke noch Süßigkeiten oder Fast Food mehr verkauft werden. Die Getränkehersteller sind wieder einmal findiger. Sie haben durchgesetzt, dass sie kleinere Dosen vermarkten dürfen. (Sandra Weiss aus Puebla, DER STANDARD, 22.3.2014)