Bild nicht mehr verfügbar.
Wien - Vor allem Äußerungen und Handlungen von Polizei und Justiz sind der Anti-Rassismus-Stelle Zara im vergangenen Jahr negativ aufgefallen. Polizisten hätten sich im Einsatz respektlos gegenüber Menschen mit dunkler Hautfarbe verhalten, die Justiz würde rassistische Vorfälle teilweise nicht ernst nehmen, so Geschäftsführerin Claudia Schäfer. Insgesamt wurden 731 rassistische Vorfälle dokumentiert.
Afrikanerin auf Gleise gestoßen
"Polizei und Justiz auf rassistischem Auge blind", betitelte Zara den Rassismus-Report für das Jahr 2013, der bei einer Pressekonferenz am Freitag, dem internationalen Tag gegen Rassismus, präsentiert wurde. Schäfer kritisierte "unverständlich milde Urteile beziehungsweise Freisprüche" und verwies etwa auf den Fall einer Afrikanerin, die im Jänner 2013 nach einem Streit auf die U-Bahn-Gleise gestoßen wurde.
Die Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen von Rassismus dokumentiert Fälle, die an sie gemeldet werden. Insgesamt verzeichnete Zara im vergangenen Jahr 731 Fälle, das sind 41 weniger als im Jahr davor. Der größte Teil (20 Prozent) davon geschah im Internet, 19 Prozent entfielen auf den Bereich "Öffentlicher Raum" und ebenfalls 19 Prozent auf den Bereich "Güter und Dienstleistungen". Dazu zählen etwa Vorfälle im Wohnbereich und beim Zugang zu Lokalen.
Kinder und Jugendliche betroffen
Auch Benachteiligungen und rassistische Beschimpfungen am Arbeitsplatz wurden der Stelle gemeldet. Dina Malandi von der Beratungsstelle berichtete von einem Abteilungsleiter, der seine Mitarbeiter in zwei Gruppe eingeteilt habe. Den Mitarbeitern nichtösterreichischer Herkunft teilte er schwere körperliche Arbeit zu, während Kollegen österreichischer Herkunft nur noch leichte Tätigkeiten aufgetragen bekamen. "Besonders schlimm aufgefallen" sei außerdem, dass häufig Kinder und Jugendliche betroffen seien. In einer Schule seien Jugendliche in antisemitischen Ketten-SMS dazu aufgerufen worden, andere zu "hitlern".
Ein großes Problem, das immer mehr zunehme, seien Rassismus und Verhetzung im Internet, sagte Lilian Levai von Zara. Da es "rechtlich sehr schwierig ist", gegen diskriminierende Inhalte im Internet vorzugehen, forderte sie, dass rechtliche Bestimmungen entsprechend angepasst werden.
Polizei und Justiz im Fokus
"An der Problematik, dass auch in Polizei und Justiz Rassismus noch weit verbreitet ist beziehungsweise nicht genügend reflektiert und ernst genommen wird, hat sich, seit Zara vor nunmehr 15 Jahren mit Anti-Rassismus-Arbeit begonnen hat, offenbar nichts Grundlegendes geändert", stellte Schäfer fest. Nach wie vor komme es zu "viel zu vielen Vorfällen polizeilichen Fehlverhaltens", auch in der Justiz werde nicht immer vorurteilsfrei vorgegangen, kritisierte Maladi. Häufig gemeldet wurde der Stelle etwa Ethnic Profiling, also wenn Personen allein aufgrund ihrer Hautfarbe verdächtigt und kontrolliert werden.
Von der Politik fordert die Beratungsstelle, die im Herbst 15 Jahre alt wird, daher unter anderem einen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, verstärkt Sensibilisierungstrainings und Schulungen für Polizisten sowie eine unabhängige Stelle zur Überprüfung rassistisch motivierter Übergriffe von Polizisten.
Inneministerium: Fälle werden überprüft
Das Innenministerium wehrte sich am Freitag gegen die Vorwürfe. Ein großer Teil der Polizeiausbildung sei dem Thema Antirassismus gewidmet, Schulungen dazu seien verpflichtend, betonte Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck. Gemeinsam mit der Europäischen Grundrechteagentur sei ein Trainingshandbuch zum Thema Rassismus erarbeitet worden. Auch die Tatsache, dass immer mehr Polizisten mit Migrationshintergrund speziell bei der Wiener Polizei arbeiten würden, werde dazu betragen, dass Rassismus in den eigenen Reihen abnimmt.
Die Polizei solle auch "die Gesellschaft abbilden, für die sie arbeitet", so Grundböck. Er betonte, dass es wichtig sei, an die Beschwerdemöglichkeit zu denken: "Jeder Polizist ist verpflichtet, eine Karte mit der Dienstnummer auszuhändigen." Jeder einzelne Fall werde geprüft.
SPÖ und Grüne empört
SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yilmaz meinte in einer Reaktion auf den Bericht: "Die von Zara dokumentierten 731 rassistischen Vorfälle im Vorjahr zeigen, dass hierzulande noch vieles im Argen liegt." Rassistischen Äußerungen und Praktiken müsse "auf allen Ebenen entschieden begegnet werden - egal ob am Arbeitsplatz, in der Politik oder am Fußballplatz", so Yilmaz in einer Aussendung.
"Es ist höchste Eisenbahn, massiv gegen Rassismus und Diskriminierung vorzugehen", betonte Alev Korun, Menschenrechtssprecherin der Grünen. In Bezug auf Diskriminierung "in Institutionen wie Polizei und Justiz" forderte sie "eine Erhebung aussagekräftiger Daten".
FPÖ: "Subjektive Empfindungen"
Der freiheitliche Bereichssprecher für den Öffentlichen Dienst und AUF-Bundesvorsitzende Werner Herbert bezeichnete den Bericht dagegen als "völlig unerheblich". "Hier sind lediglich subjektive Empfindlichkeiten diversester Personen dokumentiert, die wohl eher am linken Rand der Gesellschaft stehen", meinte Herbert in einer Aussendung. "Dass täglich Österreicher diskriminiert, überfallen, beraubt, verletzt oder bestohlen werden, interessiert die selbsternannte Anti-Rassismus-Stelle freilich gar nicht."
Die Sozialdemokratische Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen-, Transgender-und Intersexuellen-Organisation (SoHo) sprach sich in einer Aussendung am Freitag in Reaktion auf den Bericht für eine Kampagne gegen "Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie/Transphobie und Sexismus in Österreich und Europa" aus. (APA, 21.3.2014)