Schon auf der Venedig-Kunstbiennale 2013 trat Alexandra Pirici mit einer ähnlichen Performance auf wie nun beim Imagetanz-Festival. 

Foto: Biennale/Pirici

Wien - Was von Erlebnissen bleibt, sind "Bilder im Kopf". Also nicht nur die privaten, die Sänger Sido in seiner Hit-Nummer beschwört. Auch Bilder aus Medien und Kunst hinterlassen bleibende Eindrücke. Für die aufstrebende rumänische Künstlerin und Choreografin Alexandra Pirici sind diese kollektiven Erinnerungen "Delicate Instruments", mit denen fürsorglich umzugehen ist.

Das passt genau ins Programm unter dem Motto Care des diesjährigen Imagetanz-Festivals im Wiener Brut Theater, das heute, Samstag, endet. Für den Abschluss ihrer ersten Image-Kuratierung hat Katalin Erdödi mit Piricis Arbeit Delicate Instruments Handled With Care einen wahren Schatz aufgehoben. Und er kommt bescheiden daher: keine Tribüne, keine Requisiten, kein spezielles Licht. Zwei Frauen und zwei Männer in Alltagskleidung stehen da und warten auf Bestellungen.

Eingangs bekommen die Besucher einen Zettel, auf dem 50 Szenen oder Situationen gelistet sind. Diese werden auf Zuruf als gespielte Aktionen oder als Tableaux vivants nachgestellt - mit verblüffender Treffsicherheit und, wo es passt, mit feinem Witz: etwa Barack Obamas Selfie bei Nelson Mandelas Begräbnis; Marina Abramovics New Yorker Performance The Artist is Present; Anna Pawlowas Sterbender Schwan; die Leichen des Ehepaars Ceausescu sowie das berühmte Zitat von Ludwig Wittgenstein: "Alles, was wir sehen, könnte auch anders sein." Aber auch Mozartkugeln (drei Mozarts in Embryohaltung!), Zinédine Zidanes Kopfstoß gegen Marco Materazzi und der unheimliche Puppet-Master-Monolog aus dem Animefilm Ghost in the Shell sind mit im Angebot.

Zeitgemäßes Programm

Piricis "empfindliche Instrumente" kamen bereits im Vorjahr auf der Biennale di Venezia zum vielbeachteten Einsatz. Im rumänischen Pavillon stellte die Künstlerin gemeinsam mit Manuel Pelmus und einigen Performern Kunstwerke aus vergangenen Biennalen nach - sozusagen als lebenden Katalog. Wenn virtuelle Erinnerungen, verewigte Dokumente und ephemere Nachbildungen aufeinandertreffen, beginnt die Wahrnehmung zu tanzen. Mit dieser Reaktion spielt Pirici geradezu meisterhaft.

Nicht nur dieses gelungene Finale erlaubt eine positive künstlerische Bilanz des neuen Imagetanz-Festivals. Der gebürtigen Ungarin Katalin Erdödi ist es gelungen, ein klar zeitgemäßes Programm zusammenzustellen, in dem Choreografie und Tanz, Performance und Intervention, hintergründige Unterhaltung und starke, auch politische Statements Platz fanden. Wohl ließe sich über die Qualitäten einiger der präsentierten Arbeiten diskutieren. Unbestreitbar aber bleibt der konsequente Kontakt dieser Kuratierung zu unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit. Zum Einstand etwa hatte sich Barbara Ungepflegt um die kollektive Ausblendung des Alterns angenommen.

Gegen Ende gab es zwei Positionen zur aktuellen Lage der Kunstschaffenden. Joonas Lahtinen rechnete in dem Ein-Mann-Stück Blame You, Tony Blair! (Darsteller: Harald Jokesch) mit der Verwirtschaftung der Kunst im Post-Thatcherismus ab. Und Maike Lond aus Estland zeigte in ihrer mitreißenden Lecture-Performance 10 journeys to a place where nothing happens, wie demütigend es sein kann, als Künstlerin potenziellen privaten Mäzenen hinterherzulaufen. Das bleibt im Gedächtnis. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 22./23.3.2014)