Architekt Markus Zilker war in die Planung des Wohnprojekts involviert und lebt dort nun auch mit seiner Familie.

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Die spazieren einfach auf unserem frisch gesäten Rasen!" Veronika Kritzer sitzt in der großräumigen Gemeinschaftsküche im "Wohnprojekt Wien", einem partizipativen Bauprojekt am Gelände des ehemaligen Wiener Nordbahnhofs im zweiten Bezirk. Durch das Küchenfenster macht Kritzer eine verscheuchende Handbewegung in Richtung zweier Burschen, die mit einem Hund durch den Garten der Wohnanlage schlendern, wo bald Gras sprießen soll. Seit Dezember leben in dem Haus 60 Erwachsene und 25 Kinder in 40 Wohnungen.

Geplant wurden diese nach den individuellen Bedürfnissen ihrer Bewohner. "Die herkömmliche Herangehensweise beim Wohnbau ist absurd, weil sie rein auf Annahmen beruht", sagt Markus Zilker vom Architekturbüro Einszueins, das für die Planung verantwortlich war. Zilker lebt mit seiner Familie ebenfalls in einer Wohnung der Anlage. Im rund vierjährigen Planungsprozess sei es laut ihm wichtig gewesen, eine Vision für das Zusammenleben zu entwickeln. Selbstverwaltung und Nachhaltigkeit spielen dabei eine zentrale Rolle. Die Bewohner versuchen, so viel wie möglich gemeinsam zu nutzen und haben zum Beispiel einen Foodcoop für den direkten Einkauf bei Erzeugern organisiert.

Gemeinschaftsautos

Um das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu stärken, sind 25 Prozent der Gesamtwohnfläche im Wohnprojekt für die Gemeinschaft reserviert: Kinderspielraum, Veranstaltungssaal, Küche, Bibliothek, Meditationsraum, Bibliothek, Werkstatt und Sauna mit Dachterrasse können von allen Bewohnern genutzt werden. Rechtlich ist das Gebäude als Wohnheim deklariert. Das hat den Vorteil, dass die Stellplatzverpflichtung geringer ausfällt. Das bedeutet nicht nur weniger Kosten, sondern entspricht auch dem Konzept der Nachhaltigkeit. Die meisten Bewohner besitzen auch gar kein Auto. Darum hat sich die Hausgemeinschaft dazu entschlossen, privates Carsharing zu betreiben und dafür mit der Plattform carsharing247 zusammenzuarbeiten.

Diese hat es sich zum Ziel gesetzt, die Auslastung bestehender Fahrzeuge zu verbessern und koordiniert deren private Vermietung. Nun stehen den Bewohnern sechs privat eingebrachte Autos in der hauseigenen Tiefgarage zur abwechselnden Nutzung zur Verfügung. Der Mobilitätspool der Hausgemeinschaft umfasst außerdem ein Lastenrad und ein Laufrad für Erwachsene. Dass sich das Mobilitätsverhalten in der Hausgemeinschaft ändert, hat auch Pensionistin Veronika Kritzer bemerkt: "Die Wege verkürzen sich enorm. Freunde von mir beschweren sich, dass ich gar nicht mehr rauskomme."

Tür unversperrt

Um ein "Tor nach außen" zu öffnen, will sie nun im Erdgeschoß einen kleinen Laden eröffnen. Dort soll es Brot- und Milchprodukte, aber auch Kaffee geben. "Man kommt hier gar nicht mehr auf die Idee, etwas allein zu machen", sagt Kritzer. Zwar schließt sie ihre Wohnungstür nicht ab, so weit, dass einer der Nachbarn einfach Eier aus ihrem Kühlschrank nimmt, soll es aber dann doch nicht kommen. (Elisabeth Mittendorfer, DER STANDARD, 21.3.2014)