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Anleger im chinesischen Renminbi haben zuletzt rotgesehen. Die Währung ist gegen den US-Dollar deutlich gefallen.

Foto: Reuters/Lee

Frage: Die chinesische Währung hat diese Woche so stark abgewertet wie nie. Droht eine ähnliche Währungskrise wie in anderen Schwellenländern?

Antwort: Es stimmt, dass der Yuan gegen den US-Dollar diese Woche weiter nachgegeben hat und den tiefsten Stand in einem Jahr erreicht hat. Doch von einer Währungskrise bleibt China weit entfernt. Die Zentralbank des Landes legt den Wechselkurs fest, und die Währung ist diese Woche gerade einmal um ein Prozent gefallen. Seit Jahresbeginn steht ein Minus von rund drei Prozent zu Buche, damit will die Notenbank wohl auch ausländisches Kapital abschrecken, das zuletzt wieder kräftig in China investiert und die Aufwertung beschleunigt hat. Eine Abwertung in China mag untypisch sein, aber in dieser Größenordnung ist sie kein Krisenindikator. In der Türkei etwa hat die Lira in zwölf Monaten um 18,8 Prozent verloren.

Frage: Zuletzt ist auch erstmals eine Anleihe in China nicht gezahlt worden. Sind Pleiten und eine Finanzkrise nicht die logische Folge?

Antwort: Analysten haben sich mit Horrorszenarien regelrecht überschlagen und bereits von einem "Bear Stearns"-Moment für China gesprochen (etwa die Bank of America). Die US-Investmentbank Bear ist 2007 als eine der Ersten in Schwierigkeiten gekommen. Auch in China gibt es immer wieder Spannungen im Finanzsystem. Die Verschuldung ist in den vergangenen fünf Jahren kräftig gestiegen (knapp 50 Prozentpunkte der Wirtschaftsleistung). Doch das Problem in China ist bis dato eingegrenzt: Einige Unternehmen aus überhitzten Sektoren (Solar, Immobilien, Kohle) sehen sich mit einer Kreditkrise konfrontiert. Würden diese Firmen pleitegehen, wäre es sogar ein wichtiger Lernprozess, schätzt der Internationale Währungsfonds. Denn bis dato versuchte China, Pleiten immer zu vermeiden. Das hat erst zu den irrationalen Investments vieler Anleger beigetragen.

Frage: Also bleibt die Aussicht für China positiv und das Land die globale Wirtschaftslokomotive?

Antwort: China wächst weiter stärker als die Industrienationen, aber schwächer als noch vor fünf Jahren. Ökonomen von Goldman Sachs etwa haben ihre Wachstumsprognose für das erste Quartal von 6,7 auf fünf Prozent abgesenkt, das wäre der niedrigste Wert seit Ausbruch der Finanzkrise. Und die Volkswirte von Barclays gehen davon aus, dass China sein Wachstumsziel 2014 verpassen könnte (zwischen sieben und 7,5 Prozent). Daher erwarten immer mehr Volkswirte ein neues Konjunkturpaket. "Es ist ein schwacher Start ins Jahr, aber kein Grund zur Panik", betont Qu Hongbin von HSBC in Hongkong. Dass China langsamer wachse, hänge schlicht damit zusammen, dass das Land sein Wachstum reformiert: weg von Investitionen hin zu Konsum.

Frage: China investiert aber weiter knapp die Hälfte der Wirtschaftsleistung, weit mehr als die meisten Länder der Welt. Geht es bei den Reformen überhaupt weiter?

Antwort: Laut Daten der Vereinten Nationen investiert China aktuell 48 Prozent seiner Wirtschaftsleistung. Der Konsum ist nur halb so hoch wie etwa in den USA. Chinas Konsumenten tragen nur 36 Prozent zum BIP bei. "Die Schlagzeile mag suggerieren, dass nichts passiert, aber ein Blick auf die Konsumquote greift zu kurz", sagt William Yuen, der bei Invesco in Hongkong den Asia Consumer Demand Aktienfonds verwaltet. Stattdessen zeigt Yuen auf die starke Nachfrage nach Autos, "vor zehn Jahren noch ein unerschwingliches Luxusgut". Aktuell werden in China 1,7 Millionen Autos pro Monat verkauft, 2005 waren es gerade 300.000. Dazu kommt hohes Wachstum bei Ausgaben für Reisen, Gesundheit oder Unterhaltungselektronik. Damit scheint die neue Regierung auf gutem Weg, ihr Ziel zu erreichen, dass Chinas Wirtschaft künftig stärker vom Konsum angetrieben wird - statt schuldenfinanzierten Investitionen, die auch für die Umwelt immer stärker zum Problem geworden sind. "Das ist aber ein langer Prozess, weil die Regierung den Konsum nicht direkt erzwingen kann, wie etwa Investitionen staatsnaher Unternehmen", betont Yuen. "Aber die Richtung ist ganz klar, die chinesische Wirtschaft wird stärker auf Konsum ausgerichtet." (Lukas Sustala, DER STANDARD; 22.3.2014)