Berlin - Deutschlands zweitgrößte Fluglinie Air Berlin und Mutter der heimischen Fluglinie Niki stellt in diesen Tagen wichtige Weichen für ihren künftigen Kurs. Doch mehr als diese allgemeine Aussage will das Management nicht machen - wohin die Reise geht, dazu hält sich die Führungscrew bedeckt. Entsprechend schießen am Kapitalmarkt die Spekulationen ins Kraut.

Nur so viel ist klar: Es wird eine entscheidende Kurs-Bestimmung sein, die im Cockpit des Lufthansa -Rivalen ausgeheckt wird. "Wir führen derzeit fortgeschrittene Gespräche über Optionen, die im Fall ihrer Umsetzung einen wesentlichen Einfluss auf die Gesellschaft haben werden", ließ der aus Österreich stammende Air-Berlin-Chef Wolfgang Prock-Schauer seine Pressstelle mehrdeutig verkünden. Die eigentlich für Donnerstag geplante Bilanzpresse-Konferenz verschiebt das Unternehmen um eine Woche - wohl kaum ohne triftigen Grund.

Geschäftlich geht es Air Berlin nicht gut. Analysten rechnen für das vergangene Jahr mit einem hohen Minus. Erwartet wird ein operativer Jahresverlust (Ebit) zwischen 114 und 132 Millionen Euro nach 70 Millionen Euro Gewinn im Jahr zuvor. Der Konzern hatte damals von hohen Extraeinnahmen aus dem Verkauf seines Vielfliegerprogramms an den Großaktionär Etihad profitiert. Die arabische Fluglinie hatte Air Berlin zuletzt finanziell kräftig unterstützt. Die schnell wachsende Fluggesellschaft aus Abu Dhabi hält knapp 30 Prozent an Air Berlin.

Experten sehen neue Allianzen als möglichen Weg, um Air Berlin wieder flott zu machen. Am Freitag sorgte ein Bericht der norwegischen Wirtschaftszeitung "Finansavisen" für Aufregung. Darin hieß es, Europas drittgrößte Billig-Airline nach Ryanair und EasyJet, Norwegian Air Shuttle, befinde sich in Verhandlungen über einen Kauf von Air Berlin. Die Norweger dementierten den Bericht umgehend.

Großaktionär vom Persischen Golf

Wie auch immer die künftigen Konstellationen aussehen - ohne den Großaktionär vom Persischen Golf wird es nicht gehen. "Was auch immer die Optionen für Air Berlin sein mögen, Etihad wird im Zentrum stehen", sagte ein Insider in Abu Dhabi. Dort könnte man sich unter anderem vorstellen, dass Etihad die Techniksparte von Air Berlin übernimmt, was der Fluglinie zu einer dreistelligen Millionensumme verhelfen und damit ihr Finanzpolster aufbessern würde.

Andere Brancheninsider weisen allerdings darauf hin, dass der Spielraum der arabischen Airline bei Air Berlin aufgrund von Gesetzeshürden nicht allzu groß ist. Knackpunkt ist vor allem, dass Unternehmen, die außerhalb der EU sitzen, nicht die Mehrheit an einer hiesigen Airline erwerben dürfen. Ansonsten gehen die Anflugrechte verloren. Die ambitionierten Araber spielen deshalb einem Brancheninsider zufolge eine andere Idee durch: Ein europäischer Investor könnte im Auftrag und mit finanzieller Unterstützung von Etihad Air Berlin von der Börse nehmen und dann sanieren. Etihad ist bereits an kleinen europäischen Fluglinien wie Aer Lingus beteiligt, die als Plattform für die Pläne dienen könnten.

Eine Möglichkeit, die von Bankern durchgespielt wird, wäre eine Anbindung von Air Berlin an Alitalia. Der Hintergrund: Etihad lotet aktuell einen Einstieg bei der angeschlagenen italienischen Airline aus. Zuletzt hatte Konzernchef James Hogan dafür allerdings nur eine 50-zu-50-Chance gesehen. Insidern zufolge geht es um einen Anteil in Höhe von womöglich 40 Prozent für bis zu 300 Millionen Euro.

Einer mit dem Vorgang vertrauten Person zufolge könnte die finanzstarke Airline aus dem Golf-Emirat zweistufig vorgehen: Erst das Investment bei den Italienern unter Dach und Fach bringen und dann in einem zweiten Schritt Alitalia und Air Berlin enger aneinander binden. Allerdings gibt es bei dieser Idee auch einen Stolperstein. Air Berlin müsste dann womöglich das Flugbündnis wechseln und von One World zum Skyteam wechseln. "Das ist mit hohen Hürden verbunden, da beispielsweise die IT-Systeme der Mitglieder integriert sind", sagt Gerald Wissel, Chef der Unternehmensberatung Airborne. Zudem werde eine Konventionalstrafe fällig. Aus seiner Sicht endet die Europa-Strategie von Etihad nicht in Italien oder Deutschland. "Als Zukunftsvision wäre es sogar vorstellbar, dass die Konstellation um Air France erweitert wird." Die Franzosen sind bereits Partner von Etihad und führen die Flugallianz Skyteam an. (APA, 21.3.2014)