Wien - Kein gutes Zeugnis stellen Politologen der Regierung für ihre ersten 100 Tage aus. Politologe Thomas Hofer meint, die Regierung sei in ihren ersten 100 Tagen fast nie in eine offensive Kommunikation gekommen und habe praktisch nur auf Negatives reagiert. Schon das Regierungsprogramm sei nicht geeignet gewesen, in die Offensive zu gelangen, weil es keine "Leuchtturm-Projekt" enthalte, um das Land zu beschäftigen. Die Hypo habe das Ganze dann verschärft. Beim Burgtheater habe das Krisenmanagement zwar schnell und offensiv funktioniert, bei der Hypo habe die Regierung das Problem aber verlängert und verschärft, auch wenn sich dabei jede Regierung schwergetan hätte, wie der Politikberater zugesteht.

Auch Politikwissenschafter Peter Filzmaier hält der Regierung vor, dass sie weder inhaltlich noch kommunikationsstrategisch ihre Pläne umsetzen habe können. So sei es kaum möglich, mit weitgehend den selben Akteuren in der Regierung einen Neustart zu kommunizieren. Das Regierungsprogramm sei aber mehr ein Verwaltungskonzept und sehe keine großen Projekte vor. Und die Regierung sei nicht nur eine "Getriebene des Hypo-Falles", sie habe sich auch schon mit der Budgetlochdebatte ein "entscheidendes Missgeschick" geleistet.

Einig sind sich Hofer und Filzmaier, der Regierung als positiven Aspekt anzurechnen, dass sei im Gegensatz zu ihren Vorgänger-Koalitionen zumindest nach außen hin Einigkeit zelebriert und versucht habe, gegenseitige Sticheleien hintanzuhalten. Als negativen Punkt merkt Filzmaier aber gleich wieder an, dass die ÖVP ihre Führungsdebatte nicht unter der Decke habe halten können.

Schlechte Kommunikation

Zudem hat sich die Regierung auch noch "selbst das Leben schwer gemacht", wie Hofer meint. Er gesteht dem Bundeskanzler und seinem Vize zwar grundsätzlich zu, nicht immer selbst das Pressefoyer nach dem Ministerrat bestreiten zu müssen, mitten in der Hypo-Krise sei das aber "komplett zur Unzeit" passiert. Und für Filzmaier ist die Regierung neuerlich an dem Versuch gescheitert, eigene Kommunikationsstrukturen mit einem Regierungssprecher inklusive eigener Abteilung zu schaffen.

Dass es die früher üblichen 100 Tage Schonfrist für eine neuen Regierung nicht mehr gibt, liegt für die beiden Experten auf der Hand. Für beide handelt es sich dabei um ein Relikt aus einer früheren Zeit, das in der heutigen, schnelllebigen Medienlandschaft nicht mehr zu erwarten sei. Früher sei man "mit dem Fahrrad unterwegs gewesen, heute mit dem Superschnellzug", formulierte Filzmaier. Außerdem sei auch keine wirklich neue Regierung angetreten, sondern es handle sich um die alte mit einigen neuen Gesichtern.

Um aus der Defensive herauszukommen, empfehlen die beiden Fachleute der Regierung, über ihr Arbeitsprogramm hinaus das eine oder andere große Schüsselprojekt in Angriff zu nehmen. Die Regierung müsse nun "pro-aktiv" gestalten, meinte Filzmaier und für Hofer bieten sich dabei etwa eine Verwaltungsreform, die Pensionen oder die ÖIAG als Themen an. Zudem rät Hofer der Regierung, das Hypo-Thema nun durchzuziehen und weit stärker als bisher die Ursache zu kommunizieren. Bisher habe es nämlich "die FPÖ zu einfach gehabt."

Bei der EU-Wahl im Mai kann es nach Ansicht Filzmaiers für die Regierungsparteien nur um Schadensbegrenzung gehen, Zugewinne könnten sie jedenfalls nicht erwarten. Wenn die Regierung ein Zeitfenster habe, dann habe sie es nach der EU-Wahl bis zum Herbst nächsten Jahres, wenn in Wien, Oberösterreich und er Steiermark gewählt wird. Dieses Fenster müsse die Regierung dann nützen, um pro-aktiv das eine oder andere Schlüsselprojekt in den Mittelpunkt zu stellen. Sowohl Filzmaier als auch Hofer schränken allerdings ein, die Frage werde sein, ob dies budgetär möglich sei. (APA, 24.3.2014)