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Nach den Todesurteilen gegen mehr als 500 Unterstützer des gestürzten ägyptischen Präsidenten Mohammed Morsi demonstrierten am Montag Angehörige von Inhaftierten in Kairo.

Foto: AP / Ahmed Abd El Latef

Ein Gericht in Oberägypten hat in einem summarischen Verfahren gegen 529 Mitglieder der Muslimbrüder die Todesstrafe verhängt. Gegen die Urteile kann noch Berufung eingelegt werden, und der Großmufti müsste sie absegnen, bevor sie ausgeführt werden.

"Das war gar kein Gerichtsverfahren", empörte sich einer der Anwälte der angeklagten Muslimbrüder in einem Gespräch mit Al-Jazeera. Bereits am zweiten Sitzungstag hatte Richter Said Youssef Sabri das Urteil verkündet. 529-mal sprach er die Todesstrafe aus wegen Gewalt und Vandalismus gegen staatlichen Besitz sowie Mord an einem Polizisten. 16 Angeklagte erhielten Freisprüche. Zur Verhandlung standen die Gewaltausbrüche in Minya gegen Polizeistationen und koptisch-christliche Kirchen nach der blutigen Räumung der Protestlager der Morsi-Anhänger in Kairo am 14. August des letzten Jahres mit 1400 Toten. Die Muslimbrüder bezeichneten den Richterspruch auf ihrer Internetseite als "neues Verbrechen des Militärputsches".

In dem Verfahren in Minya waren nur 152 der Angeklagten überhaupt in Haft und weniger als 70 im Gerichtssaal. Es gab keine Beweisführung, keine Zeugenbefragung, und die Anwälte konnten keine Stellung Beziehungen. Die Medien bleiben ebenfalls ausgeschlossen. Damit wurden nach Auffassung von Rechtsexperten gleich mehrere Bestimmungen der ägyptischen Prozessordnung verletzt. Gegen die Urteile kann noch Berufung eingelegt werden.

Wie das dem üblichen Prozedere entspricht, wurden die Urteile an den Großmufti weitergeleitet. Die höchste religiöse Instanz muss Todesurteile gutheißen, bevor sie exekutiert werden können. Das Gericht in Minya tritt am 28. April zu seiner abschließenden Sitzung zusammen.

683 warten noch

Noch nie in der ägyptischen Rechtsgeschichte wurden so viele Todesstrafen in einem Prozess verhängt. Dabei handelte es sich erst um die erste von zwei Tranchen in diesem Verfahren. Zwischen Dienstag und Donnerstag sind weitere 683 angeklagte Mitglieder der Muslimbrüder an der Reihe, darunter ihr oberster geistiger Führer Mohammed Badie.

Gegen den gestürzten Präsidenten Mohammed Morsi und die gesamte Führung der Muslimbrüder läuft derzeit in Kairo eine ganze Reihe von Prozessen. Die Anklage lautet meist auf Aufruf zur Gewalt und Schuld am Tod von Demonstranten. Auch in diesen Verfahren gibt es Anklagepunkte, die die Todesstrafe nach sich ziehen könnten. Aber bei diesen Prozessen werden immerhin minimalste Standards eingehalten.

Seit der Entmachtung der Muslimbrüder im Juli 2013 sind landesweit mehrere Tausend ihrer Mitglieder und Anhänger im Gefängnis. Und fast täglich kommen Neue dazu, die am Rande von Demonstrationen - etwa an den Universitäten - festgenommen werden. Die Stimmung im Land ist immer noch von Hass gegen die Islamisten geprägt, die inzwischen als terroristische Organisation eingestuft worden sind. Es gibt keine Anzeichen für eine Versöhnung oder einen politischen Ausgleich. Alle Initiativen in diese Richtung werden sofort diskreditiert. (Astrid Frefel aus Kairo, DER STANDARD, 25.3.2014)