Verdichtete Gerüchte um eine neuerliche Kandidatur des parteifreien EU-Abgeordneten Hans-Peter Martin bei den Europawahlen im Mai gab es in Brüssel bereits seit Jahreswechsel. Am Mittwoch wird der gebürtige Vorarlberger und Ex-Journalist der Ungewissheit nun ein Ende bereiten. Per Eilt-Aviso kündigte er Montagvormittag an, dass er an diesem Tag eine Pressekonferenz abhalten wird unter dem schlichten Titel „Thema: EU-Wahl 2014".

Der Ort, den Martin für seine Bekanntgabe ausgewählt hat, ist gut gewählt, zeugt jedenfalls von einem hohen Maß an Ironie des Autors: Im Hotel Krone in Dornbirn. Die Krone – nicht das Hotel, sondern die Zeitung – war es schließlich gewesen, die ihm und seiner Liste „HPM" bei den letzten EU-Wahlen im Jahr 2009 einen unerwarteten Wahltriumph bescherte mit einem Stimmenanteil von knapp 17 Prozent, was der Liste drei Mandate einbrachte – mehr als die Grünen, die unter zehn Prozent oder zwei Mandate bekamen. Zwei seiner Mitstreiter, sein Assistent Martin Ehrenhauser und die Salzburgerin Angelika Werthmann bekamen nach heftigen internen Streitereien die zwei übrigen EU-Sitze neben Martin. Beide zerstritten sich jedoch rasch mit ihrem Mentor. Ehrenhauser tritt bei den EU-Wahlen nun für „Europa anders", einen Zusammenschluss von Piraten und KPÖ und Der Wandel, an.

Zurück zu Martin: Wer diesmal auf seiner Liste kandidiert, ist noch unklar. Sicher ist, dass die Hauptthemen und die Wahlkampagne sich kaum von denen in der Vergangenheit unterscheiden werden: Missbrauch in der EU, Steuergeldverschwendung. Der Abgeordnete hat vor einigen Monaten wieder damit begonnen, die Reise- und Spesenusancen seiner Kollegen öffentlich auf's Korn zu nehmen, nachdem es lange etwas stiller um ihn geworden war. Vor allem deshalb, als sein Ex-Kompagnon Ehrenhauser ihm öffentlich vorwarf, eine Million Euro an Wahlkampfkostenersatz durch die Republik veruntreut zu haben. Seit damals ermittelt die Staatsanwalt in Wien. Martin wurde vom EU-Parlament ausgeliefert. Aber bisher kam es weder zur Verfahrenseinstellung noch zur Anklage.

Martins Antreten könnte das Wahlergebnis deutlich beeinflussen, auch wenn er den Erfolg von 2009 nicht einmal annähernd wiederholen wird können. In Umfragen liegt die Liste HPM derzeit bei nur zwei drei Prozent, würde damit  den Wiedereinzug ins EU-Parlament verfehlen. Um eines von 18 EU-Mandaten zu erhalten, die auf Österreich entfallen, muss eine Partei rund fünf Prozent erreichen. Aber: Auch schon bei der letzten EU-Wahl war Martin mit seiner radikalen Kritik an der EU unterschätzt worden. Die Kronenzeitung gewährte ihm starke Unterstützung. Martin schrieb in dem Blatt fast täglich Kolumnen gegen die EU-Politik. Damit hatte er vor allem die Anti-EU-Linie der FPÖ konterkariert, die 2009 nur auf etwas mehr als zwölf Prozent Stimmenanteil (oder zwei Mandate) kam.

Derzeit liegt die FPÖ in mehreren Umfragen zur EU-Wahl auf Platz 1, noch vor ÖVP und SPÖ. Selbst wenn die Liste HPM also nur auf ein paar Prozent Stimmenanteil käme, könnte sein Antreten in der Endabrechnung dafür sorgen, dass die FPÖ an ihrem Anspruch, die Wahl zu gewinnen, scheitern. ÖVP, SPÖ und FPÖ können nach Auffassung von Wahlforschern derzeit auf Platz 1 kommen. Die Grünen kämpfen mit den Neos um Platz 4. Die Konkurrenz im Lager der Splitter- und Kleinparteien ist jedenfalls  so groß wie nie, da erstmals nicht nur die Neos antreten, sondern auch der frühere FPÖ- und BZÖ-Abgeordnete Ewald Stadler (jetzt fraktionslos), der diesmal für eine konservativ-christliche Gruppe Rekos antritt. (Thomas Mayer, derStandard.at, 24.3.2014)