Ein Bild aus glücklichen Tagen: Das Ehepaar Karlheinz und Agnes Essl ließ sich vom US-Künstler Alex Katz porträtieren. Nun wollen sie das Bild mit der übrigen Sammlung dem Staat verkaufen.

Foto: Essl Museum/Schöndorfer

Klosterneuburg - Vor zwei Jahren brachte Baumax-Gründer Karlheinz Essl seine Sammlung zeitgenössischer Kunst in eine gemeinnützige Stiftung ein, um sie vor dem Zugriff der Banken zu schützen. Denn die Baumarktkette ist - vor allem aufgrund massiver Umsatzeinbrüche in Osteuropa - hoch verschuldet. Doch der Trick funktionierte nicht: Da die ausschlaggebende Fünfjahresfrist noch nicht abgelaufen ist, würden, wie Essl am Montag einbekennen musste, "die Werte im Insolvenzfall der Masse zufallen". Sprich: Die Banken hätten Zugriff auf die Kunstwerke.

Die Sammlung, für die Essl in Klosterneuburg ein respektables Museum errichten ließ, umfasst annähernd 7000 Werke. Rund die Hälfte stammen von zeitgenössischen österreichischen Künstlern. Essl besitzt zum Beispiel mit 65 Werken die größte Sammlung von Maria Lassnig; sie ist die teuerste Künstlerin Österreichs. Im letzten Jahrzehnt erweiterte Essl die Sammlung um internationale Positionen: Essl kaufte z. B. 50 Werke von Georg Baselitz. Die Sammlung steht laut dem Magazin "Trend" mit 86 Millionen Euro in den Büchern.

Essl will die Sammlung, die er in fünf Jahrzehnten "mit viel Herzblut aufgebaut" habe, nun an die öffentliche Hand verkaufen: "Meine Frau und ich sind bereit, die gesamte Sammlung der Republik zu übergeben, wenn wir damit Baumax und somit rund 4.000 Arbeitsplätze allein in Österreich retten können", so Essl in einer Aussendung. Er erwähnt, dass es auch um die Arbeitsplätze von 160 Menschen mit Behinderung gehe.

Zudem will er die "Zerschlagung" der Sammlung verhindern, die einen "unwiederbringlichen Wertverlust in der österreichischen Kulturlandschaft" zur Folge hätte. Im Gespräch mit dem STANDARD konkretisiert Essl seine Vorstellungen. Er schlägt vor, dass zusammen mit der öffentlichen Hand eine gemeinnützige Stiftung nach dem Vorbild der Stiftung Leopold gegründet wird.

Die Republik erwarb 1994 die Sammlung des Augenarztes Rudolf Leopold mit Hauptwerken von Egon Schiele, Oskar Kokoschka, Richard Gerstl und vielen anderen. Der Wert der Sammlung war auf 574 Millionen Euro geschätzt worden (bei Einzelverkäufen), Leopold erhielt 160 Millionen in Tranchen. Der Bund gründete mit dem Sammler eine Privatstiftung und finanzierte den Bau des Leopold-Museums. Entgegen den Versprechungen erhält sich dieses nicht selbst.

Essl würde zwar seine Sammlung, nicht aber das Museumsgebäude in die Stiftung einbringen: "Der Bau bleibt bei der Familie."

Die Betriebskosten und die Mietkosten für das Gebäude hätte die öffentliche Hand zu übernehmen. Über konkrete Beträge schweigt Essl eisern. Er gab auch bisher nie bekannt, wie viel er sich sein Privatmuseum pro Jahr kosten lässt. Zudem wird die Zahl der Besucher geheimgehalten.

Essl nennt auch keinen Betrag, den er als Gegenleistung für seine Sammlung verlangt: "Über Werte will ich nicht sprechen." In seinem Auftrag führte Otto Hans Ressler, der ehemalige Geschäftsführer der Kunstauktionen im Kinsky, eine Schätzung der Sammlung durch. Er soll auf einen Wert von etwa 250 Millionen Euro gekommen sein. Allerdings bewertete Ressler jedes Bild als Einzelverkauf. Bei einem Verkauf von Konvoluten oder gar der gesamten Sammlung wären die angesetzten Preise nicht einmal annähernd zu erzielen. Denn es käme "zu einem Überangebot, das ein Mehrfaches des normalen Marktvolumens ausmachen würde", so Ressler.

Das Dorotheum und das Kinsky bieten pro Jahr rund 1000 Werke zeitgenössischer österreichischer Kunst an; bei 7000 Objekten wäre ein "dramatischer Wertverfall österreichischer Kunst" die logische Konsequenz - laut Ressler "bis hin zur Vernichtung ganzer künstlerischer Existenzen". Was Essl und sein Gutachter aber nicht erwähnen: Auch die Sammlung wäre nur mehr einen Bruchteil wert.

Ressler warnt vor einem solchen Überangebot: "Das wäre eine Katastrophe für Österreich und die gesamte Kunstwelt, das darf nicht passieren." Er appelliert im Sinne seines Auftraggebers, die Sammlung "als geschlossenes Ganzes" zu sehen: "Gäbe es die Sammlung Essl nicht, gäbe es keine Übersicht der österreichischen Kunstgeschichte der letzten sechzig Jahre." In diesem Sinne sei sie "nationales Kulturgut, das höchsten Schutz" genießen müsse.

Essl macht zeitlich Druck: "Die Entscheidung muss rasch fallen. Die Angelegenheit kann sich nicht über Monate hinziehen." Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) lädt daher das Ehepaar Essl sowie Vertreter der Banken, des Sozial- und des Finanzministeriums zu einem runden Tisch ein. Auch das Land Niederösterreich soll daran teilnehmen - und sich, so Essls Vorschlag, an den Kosten beteiligen. "Die 7000 Bilder und 4000 Arbeitsplätze zu retten wäre extrem wichtig", sagte Ostermayers Pressesprecher.

Allerdings wird Gegenwartskunst, noch dazu österreichische, auf Bundesebene u. a. vom Belvedere, dem Mumok, der Albertina und auch dem Mak gesammelt. Die Museumsdirektoren hoffen, von Ostermayer vor einer Entscheidung gehört zu werden. Denn es gibt erhebliche Bedenken gegen einen Ankauf: Im Gegensatz zu den Sammlungen Ludwig (Pop-Art, Hyperrealismus, später Picasso) und Leopold gebe es in der Sammlung Essl nichts, was nicht ohnedies gekauft wurde oder - falls die Museen über ein ausreichend hohes Ankaufsbudget verfügen würden - angekauft worden wäre. Interessant seien lediglich Teile der Sammlung, so Agnes Husslein, die Chefin des Belvedere: "Die Werke von Maria Lassnig sind ein Desiderat." Aber auch sie wäre auf die naheliegende Idee gekommen, Hauptwerke von Lassnig zu erwerben.

Es heiße immerzu, dass es kein Geld für Ankäufe gebe. Es wäre daher "ein Schlag ins Gesicht der Museumsfachleute", wenn die Sammlung angekauft würde, so ein Experte. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 25.3.2014)