Sch-sch-sch-sch: Züge und Eisenbahnen sind bekanntlich schon in Spielzeug- und Miniaturversionen höchst anziehend für kleine und große Kinder.

Foto: Katsey

"Herr Conducteur!" Ja, so könnte man den freundlichen Mann mit dem Franz-Joseph-Bart und der kräftig blauen Uniform getrost rufen. Und es wäre keine Übertreibung. Eher schon eine Verbeugung vor der nostalgischen Note, die dem ehrenamtlichen Hobby-Eisenbahner im Wagon anhaftet, und der ganzen Ybbstalbahn-Fahrt. Wir sitzen im "Ötscherland-Express", wie die Schmalspurbahn zwischen Kiental-Gaming und Lunz am See heißt, und die Reise führt in wohldosierten Serpentinen Richtung Vergangenheit.

Langgezogene Pfiffe lassen die Cineasten unter den Passagieren vielleicht an Buster Keaton denken. Auch der rußige Qualm der Rauchschwaden fügt sich bestens ins patinierte Bild. Er kommt bei den vielen mitreisenden Kindern besonders gut an - und stiehlt der draußen vorüberziehenden üppigen Natur mühelos die Show. Grüner Samt breitet sich vor dem Coupé aus - ein weicher Pflanzenteppich, der gleich hinter dem Wagonfenster in den eleganten tannengrünen Nadelstreif des Waldes übergeht. Dahinter liegt Gaming, und hinter Gaming liegt Amerika - oder zumindest ein Hauch von Wildem Westen.

Das Hühnernest-Viadukt

Entsprechend recken die Kids ihre neugierigen Hälse. Luftig konstruierte Trestlework-Brücken, die man von amerikanischen Wildwestfilmen her kennt, zählen zu den Highlights der 18 Kilometer langen Bergstrecke. Dass sie bodenständige Namen tragen, etwa Hühnernest- und Wetterbach-Viadukt, stört die mitreisenden Familien nicht. Unmittelbar westlich des blendend weißen Ötscher-Massivs kommt Yankee nun einmal von Janker. Der bautechnischen Kühnheit, die den schwierigen Streckenbau begleitete, tut das keinen Abbruch.

Spezialisten aus verschiedenen Teilen der Monarchie kamen 1897 zum Einsatz, als der Bau der steilsten österreichischen Bahnstrecke in Angriff genommen wurde. Um einen teuren Scheiteltunnel zu vermeiden, nahm man dabei eine Trassierung mit Steigungen bis zu 32 Promille in Kauf. An manchen Stellen wurden tiefe Einschnitte ins helle Dolomitgestein gesprengt.

Nostalgiefahrten

Das ist irgendwie spannend und macht "Die kleine Semmeringbahn", wie die landschaftlich abwechslungsreiche Strecke bald schon genannt wurde, auch nach der Stilllegung des regulären Personenverkehrs zum heißen Tipp für Familientrips. Regelmäßig veranstaltete Nostalgiefahrten bieten sich dafür an. Selbst die zur Wartung der exponierten Strecke angelegten Wege präsentieren sich nun familienfreundlich. Sie sind Teil eines in der Nähe der Bahntrasse verlaufenden Bahn-Erlebnisweges, an dem Ausflügler zum Bahnhof Pfaffenschlag, dem Scheitelpunkt der Linie, hochspazieren können.

Von der Brio- oder Märklin-Eisenbahn auf dem Wohnzimmerteppich in echt schnaufende Ungetüme umsteigen - das kann man auch an anderen Ecken des Landes. Nur wenige Meter östlich der Ybbstalbahn verläuft die Mariazellerbahn. Auf zunächst zierlicher Streckenführung und ab Laubenbachmühle über steile Serpentinen und durch düstere Tunnels schnaufend, durchmisst sie mit frühindustrieller Gravität das Pielach- und Erlauftal. Noch mehr Lukas-Lokomotivführer-Feeling vermitteln die schnaufenden, rußigen Feldbahnen im weiter östlich verlaufenden Traisental. Dort wartet das Feldbahnmuseum von Freiland mit insgesamt 49 Loks.

Doch Lummerland ist überall. Mitunter wird es sogar von hohen Bergen umzingelt. Der Tiroler Achensee ist so ein Fall. Auch hier lautet die Devise "Dampfrösser statt Haflinger". Dafür sorgt die vor mehr als 120 Jahren errichtete Tiroler Achensee Dampf-Zahnradbahn, die von Jenbach nach Seespitz zum 930 Meter hoch gelegenen Achensee hinaufschnauft. Jim Knöpfe reisen hier mit den vermutlich ältesten fahrplanmäßig im Einsatz stehenden Dampflokomotiven der Welt. Ebenfalls zum ziemlich alten Eisenbahneisen zählen die seit 1893 verkehrenden Züge der Schafberg-Bahn.

Die meterspurige Zahnradbahn überwindet auf ihrem Weg von St. Wolfgang auf den 1783 Meter hohen Schafberg eine maximale Steigung von 25,5 Prozent - was ohne Elektrifizierung gelingt, aber mithilfe einiger der ältesten, noch betriebenen Dampfloks der Welt - Baujahre 1893 und 1894. Vor allem aber überwindet sie den inneren Schweinehund gehfauler Kinder.

Das kleine Wälderbähnle

Das Land der Hämmer zukunftsreich hat noch weitere solcher Retro-Öffis auf Lager. In den Garnituren der nicht allzu weit entfernt verkehrenden Pinzgaubahn - sie führt von Zell am See entlang der Salzach bis nach Mittersill - wetzen aufgeregte Kids auf eleganten Lärchenholz-Sitzbänken hin und her. Auch Vorarlberg zieht am selben, eisernen Strang. Das kleine, feine Wälderbähnle stellt kleinen Eisenbahn-Freaks sogar zusätzliches "Spielzeug" in Aussicht - die original erhaltenen Haltestellenhäuschen stammen aus der Gründerzeit. Auch die bunten Wagons des steirischen "Flascherlzugs" haben so eine Besonderheit auf Lager. Am Bahnhof Stainz finden sich original erhaltene Einrichtungen, die in Österreich längst eine Rarität darstellen. Das Schmalspurheizhaus ist das letzte der Steiermark.

Und ganz im Norden? Da bewegen sich Familien entlang der Schienen der "Waldviertler Schmalspurbahnen" auf reichem historischem Boden. Dass diese einst das Rückgrat des regen wirtschaftlichen Austausches mit Böhmen und Mähren darstellten, mag kleine Mitreisende vielleicht nicht übermäßig interessieren. Die Gucklöcher auf eine häufig unverbraucht wirkende Gegend fesseln sie wohl eher. Nostalgiebahnfahren inkludiert hier nämlich auch herrliche Hinteransichten von stillen Karpfenteichen, von gelb leuchtenden Rapsfeldern und markanten Granitblöcken - fast wie von Michael Ende beschrieben. Ähnliches gilt wohl auch für den etwas weiter östlich, auf der Lokalbahnstrecke zwischen Retz und Drosendorf verkehrenden "Reblaus Express".

Auch hier geht die Reise durch ausgedehnte Wälder und kleinräumige Feldfluren, vorbei an Flussniederungen und an unverfälschtem Eisenbahnambiente, das alte große Namensschilder und verschlafene Holzveranden inkludiert. Hier müssen die Knöpfe zur Abwechslung auf ihre großen Lokomitivführer- Lukase aufpassen. Der "Reblaus Express" führt nämlich nicht bloß durch jene Weingärten, die diese Region prägen. Er hält auch einen gut sortierten Heurigenwagon bereit. (Robert Haidinger, Family, DER STANDARD, 17.4.2014)