Wien - Wie viel bleibt von einer Oper übrig, wenn sie der Szene entkleidet wird? Dass eine "konzertante" Aufführung zumindest ebenso plastisch sein kann wie in der Kulisse, zeigt zurzeit der Mozart-da-Ponte-Zyklus mit Nikolaus Harnoncourt im Theater an der Wien.

Im Wiener Konzerthaus gehört der Zyklus "Oper konzertant" zu den fixen Programmbestandteilen. Ohne allzu große optische Eindrücke hört es sich zwangsläufig anders. Und so fällt auch bei der Oper The Turn of the Screw, die von Mitgliedern des Wiener Kammerorchesters gespielt wurde, mancher musikalische Effekt deutlicher ins Ohr - etwa, wie meisterhaft Benjamin Britten es verstanden hat, Handlungselemente zu illustrieren.

Auch ohne Verdopplung auf der Bühne wirken angedeutete Bewegungen und Gesten sowie die irreale Geisterwelt äußerst suggestiv. Dazu trug Rory Macdonald einiges bei: Der Dirigent sorgte für ein glasklares Tempo, Farbigkeit, Transparenz; das Orchester folgte ihm weitgehend. Spielt sich der Horror in dieser Oper nur im Kopf ab? Die Frage nach der (Ir-)Realität der Gespenster - zentral für jede Regie - verlagerte sich naturgemäß in die Fantasie der Zuhörer, denen Mark Padmore, der Erzähler des Prologs und die Stimme des leibhaftig Bösen (Quint), mit fokussiert leichtem Tenor abgründige Anhaltspunkte gab.

Als Governess durchlitt Miah Persson alle Tiefen der Seelenpein mit lichter, nur hie und da flackernder Stimme. Markant und erdig Anne-Marie Owens (Mrs. Grose), gespenstisch Cheryl Barker (Miss Jessel). Das Geschwisterpaar Miles und Flora (William Gardner und Erin Hughes) übertrumpfte sich gegenseitig in kindlicher Reinheit, wobei besonders die junge Sängerin makelloses Strahlen kultivierte.

Nur die betulichen Knickse und Verbeugungen, die die Musik ohnehin reichlich malt, hätten die beiden nicht unbedingt ausführen müssen. Nikolaus Harnoncourt, hätte man ihn als szenischen Berater dieser Produktion geholt, wäre da wohl etwas Originelleres eingefallen. (Daniel Ender, DER STANDARD, 25.3.2014)