Gütersloh - Alle profitieren, doch die großen Gewinner sind Industrieländer wie Österreich oder Deutschland: Von der Globalisierung haben einer Studie der deutschen Bertelsmann-Stiftung zufolge die Schwellenländer weitaus weniger profitiert als die Industrienationen.
"Wir müssen erkennen, dass die Globalisierung die Schere zwischen Arm und Reich eher noch weiter öffnet", erklärte der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann-Stiftung, Aart de Geus, am Montag.
Für die Studie untersuchte die Prognos AG im Auftrag der Stiftung, in welchem Umfang die Globalisierung nationale Volkswirtschaften wachsen ließ. Dabei wurden 42 Staaten einbezogen. Grundsätzlich gewännen alle untersuchten Länder, resümierten die Autoren - die Industriestaaten profitierten aber viel stärker als die großen Schwellenländer Südafrika, Brasilien, Russland, Mexiko, China und Indien.
Deutschland ist dabei einer der größten Gewinner: Nach Finnland, Dänemark und Japan habe Deutschland am stärksten von der weltweiten Verflechtung profitiert, heißt es im "Globalisierungsreport 2014". Zwischen 1990 und 2011 ließ die Globalisierung demnach das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland im Schnitt um 100 Milliarden Euro pro Jahr wachsen. Das entspricht etwa 20 Prozent des Wachstums der deutschen Volkswirtschaft.
Höhere Einkommen
Auch die Einkommen in Deutschland stiegen zwischen 1990 und 2011 - allein durch die Effekte der Globalisierung - pro Jahr um 1.240 Euro, wie die Forscher berechneten. Noch stärker war der Einkommensgewinn je Einwohner demnach in Finnland (1.500 Euro), Dänemark (1.420 Euro) und Japan (1.400 Euro). Für Österreich wurden 1.010 Euro errechnet.
In den Schwellenländern war der Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens durch die Globalisierung dagegen vergleichsweise gering. Die Einkommen stiegen in Indien nur um 20 Euro, in China um 80 Euro.
Damit die Schwellenländer wirtschaftlich aufschließen, empfehlen die Forscher, deren Integration in die Weltwirtschaft stärker zu fördern. Die Industrieländer sollten ihre Märkte für Produkte aus weniger entwickelten Ländern öffnen, ihre Subventionen für Agrarprodukte reduzieren sowie in den Schwellenländern Bildungsmaßnahmen und den Ausbau der Infrastruktur und der Produktionsanlagen finanzieren, empfehlen die Wissenschafter von Prognos. Stiftungsvorstand Geus schätzt, dass die Globalisierung erst über einen längeren Zeitraum dazu beitragen werde, dass Schwellen- und Entwicklungsländer die Wohlstandslücken zu den Industrienationen verkleinern können.
Vernetzung
Die Forscher errechneten auch, wie stark die Wirtschaft jedes einzelnen Landes bereits mit der restlichen Welt vernetzt ist. Spitzenreiter des Globalisierungsindex ist Irland mit 91 von 100 Punkten. Dahinter folgen die Niederlande und Belgien mit je 89 und das Vereinigte Königreich mit 82 Punkten. Österreich landet auf dem siebenten Rang mit 78 Punkten. Deutschland liegt mit 69 Punkten im Mittelfeld auf Platz 17.
Die Schwellenländer finden sich alle am Schluss der Liste: Russland kommt mit 43 Punkten auf Platz 37, dahinter folgen Mexiko, China, Brasilien, Argentinien und Indien.
Die kleinen europäischen Nationen liegen auch deshalb in dem Index vorne, weil ihre Exporte gemessen an der Gesamtproduktion einen sehr großen Anteil haben, erklärten die Forscher. Die Niederlande und Belgien hätten auch aufgrund ihrer gut ausgebauten Hafeninfrastruktur einen sehr starken Außenhandel.
Dagegen belege China einen der hinteren Plätze - auch wegen der Handels- und Kapitalbeschränkungen. In absoluten Zahlen ist die Volksrepublik beim Warenhandel mit über 2,4 Billionen Euro pro Jahr weltweit auf Rang Zwei hinter den USA. Doch in Relation zum eigenen Bruttoinlandsprodukt liegt der Wert Belgiens beim dreifachen des chinesischen Werts.
Puncto Arbeitslosigkeit brachte die weltweite Vernetzung hingegen Österreich kaum Vorteile, wie die Studienautoren ausführen. "Die Arbeitsmärkte hoch entwickelter Länder wie Deutschlands, Italiens, Frankreichs, Österreichs oder der Vereinigten Staaten können kaum von der Beschleunigung der Globalisierung profitieren", heißt es. (APA, 24.3.2014)