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Überschwemmungs- oder Dürrekatastrophen - wie hier in Mauretanien - werden in der Folge der Klimaerwärmung zunehmen. Dies führt unter anderem zu massiver Lebensmittelverknappung.

Foto: REUTERS/Susana Vera

Berlin/Yokohama - Die Welt ist auf Hungerkrisen infolge des Klimawandels nicht vorbereitet. Davor warnt die unabhängige Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam in einer Kurzstudie anlässlich der Konferenz des Weltklimarates (IPCC) in Japan. Diese und andere Folgen der Klimaerwärmung stehen im Mittelpunkt der am Dienstag begonnenen Beratungen in Yokohama. Der Bericht soll am 31. März vorgestellt werden.

Wissenschafter gehen der Studie "Hot and Hungry: How to stop climate change derailing the fight against hunger" zufolge davon aus, dass die Erderwärmung Ernten und die Nahrungsmittelproduktion früher und stärker beeinträchtigen wird als bisher angenommen. "Der Klimawandel könnte den Kampf gegen den Hunger in der Welt um Jahrzehnte zurückwerfen", gab Jan Kowalzig, Klima-Experte bei Oxfam Deutschland, am Montag zu bedenken. Es sei ein fatales Signal, wenn die EU für die Zeit bis 2030 nur sehr schwache Klimaschutzvorgaben vereinbaren möchte.

Oxfam hat anhand von zehn Faktoren analysieren lassen, wie unvorbereitet die Welt auf die Auswirkungen des Klimawandels ist. In vielen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas fehlen beispielsweise die finanziellen Mittel, um zukünftige Ernten vor klimatisch bedingten Ausfällen zu schützen. Die betroffenen Regionen wären auf Unterstützung reicherer Länder angewiesen, doch diese hätten - so Oxfam - zwischen 2010 und 2012 im Schnitt nur rund zwei Prozent der Mittel zur Verfügung gestellt, die nach Schätzungen der Weltbank erforderlich wären.

Globalen Getreidevorräte auf historischem Tiefstand

Kommt es zu Überschwemmungen oder sonstigen Katastrophen sind die betroffenen Länder auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen. Hier hat sich die Lücke zwischen erforderlichen und vorhandenen Mitteln laut Oxfam seit 2001 verdreifacht. Die globalen Getreidevorräte befinden sich wiederum auf einem historischen Tiefstand. Mit ihnen lassen sich plötzliche Preissprünge wegen Ernteausfällen infolge schwerer Dürren nicht mehr ausreichend abfedern.

Die Gefahr künftiger Krisen durch Hunger, Mangel- und Unterernährung bestätigt auch der aktuelle IPCC-Bericht. Die Wissenschafter erwarten demnach, dass die globalen Erträge wichtiger Grundnahrungsmittel wegen des Klimawandels um zwei Prozent pro Jahrzehnt zurückgehen, während der Bedarf in denselben Zeiträumen jeweils um 14 Prozent steigt. Oxfam schätzt, dass sich die Getreidepreise auf den Weltmärkten bis 2030 verdoppeln werden.

Erderwärmung verändert Land und Meere

Die Folgen des Klimawandels und die Anpassungsmöglichkeiten daran stehen im Mittelpunkt der am Dienstag begonnenen Beratungen zum zweiten Teil des Weltklimaberichts. 500 Wissenschafter und Regierungsvertreter aus aller Welt debattieren im japanischen Yokohama in den kommenden Tagen hinter verschlossenen Türen über den Wortlaut der Kurzfassung des Tausende Seiten umfassenden Reports.

"Klimawandel ist eine langfristige Herausforderung, aber er erfordert dringendes Handeln", mahnte Achim Steiner, Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms UNEP, in einer Videobotschaft zum Auftakt der Konferenz. Am kommenden Montag (31. März) soll das Ergebnis der Beratungen der Öffentlichkeit präsentiert werden.

"Wir stehen an einem Wendepunkt", sagte Kaisa Kosonen von Greenpeace International. Die Schlüsselbotschaft des neuen Teilberichts sei, dass die Menschheit die Wahl habe. "Werden wir weiter von einem Desaster zum anderen schlittern oder werden wir die Kontrolle über unsere Zukunft ergreifen?". Schon jetzt wirke sich der Klimawandel verheerend auf ganze Nationen aus, zerstöre Leben und verursache Kosten in Milliardenhöhe. "Klimawandel könnte den Kampf gegen Hunger um Jahrzehnte zurückwerfen, aber unser globales Nahrungssystem ist beklagenswert unvorbereitet auf die Herausforderungen", warnte die Hilfsorganisation Oxfam zum Auftakt der Beratungen in Yokohama.

Rasanter Wandel

Doch noch könne die Menschheit etwas dagegen tun. "Sollten Regierungen gegen den Klimawandel handeln, wird es noch möglich sein, Hunger in der nächsten Dekade auszumerzen", sagte Winnie Byanyima von Oxfam. Einer der Schwerpunkte im neuen Klimareport ist die Lage der Meere. Der Klimawandel "verändert die Lebensbedingungen in den Ozeanen schneller als während vergleichbarer Ereignisse in den zurückliegenden 65 Millionen Jahren", sagte Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven und einer der koordinierenden Leitautoren des zweiten Teils des Weltklimaberichts.

Zum Abschluss ihrer Beratungen in Yokohama werden die Wissenschafter Zahlen und Fakten für die vom Klimawandel bewirkten Veränderungen nennen, Prognosen abgeben und aufzeigen, welche Risiken und Kosten der Wandel mit sich bringen wird. Dafür haben Hunderte Forscher aktuelle Erkenntnisse über den Klimawandel zusammengetragen. Bis kommenden Montag stimmen die Wissenschafter den Wortlaut der von ihnen geschriebenen Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger mit Regierungsvertretern ab.

Im ersten von insgesamt drei Teilen hatten Forscher belegt, dass der Mensch Hauptursache des Klimawandels ist. Im dritten Teil präsentieren sie Mitte April Vorschläge zum Bremsen der Erderwärmung. Jeder der drei Teile des IPCC-Berichts umfasst 2.000 bis 3.000 Seiten. Die Texte sind unter anderem eine wichtige Basis für die politischen Klimaverhandlungen. (APA/red, derStandard.at, 25.03.2014)