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Smog in der Nahaufnahme. Viele Städte der Welt sind von ihm verpestet. Touristen, die dorthin reisen, besichtigen und fotografieren Sehenswürdigkeiten mit Masken.

Foto: Reuters

Paris im Frühling ist keine Reise wert, wenn der Smog wabert. Nachdem vor einer Woche dort die Feinstaubkonzentration in der Luft fünf Tage lang die EU-Grenzwerte überschritten hatte, mussten die Behörden ein partielles Fahrverbot verhängen. Solche Maßnahmen verringern kurzfristig die Verschmutzung, doch in vielen europäischen Ballungsgebieten herrscht praktisch dauerhaft dicke Luft.

Welche gesundheitlichen Folgen eine solche Belastung haben kann, hat nun eine europaweite Analyse gezeigt. Das Großprojekt trägt den Titel "Escape". Ein internationales Forscherteam trug die Daten 22 einzelner Kohortenstudien aus verschiedenen EU-Staaten, Norwegen und der Schweiz zusammen und unterzog sie einer statistischen Auswertung. So kam eine Studienpopulation von insgesamt 367.251 Personen zustande.

Die unterschiedlich langen Erhebungszeiträume erstreckten sich zwischen 1985 und 2007, die Teilnehmer lebten in Großstädten wie Turin, Amsterdam und Paris oder in ländlichen Regionen. Auch die Ergebnisse einer österreichischen Untersuchung, der größten der Einzelanalysen, mit knapp 118.000 Menschen aus Vorarlberg, flossen in die Berechnungen mit ein.

Schwebende Partikel

Die Wissenschafter verglichen die Sterblichkeit innerhalb der Teilnehmergruppen mit den Konzentrationen von Stickstoffoxiden und Staubpartikeln in der Luft an deren Wohnorten. Es ist vor allem der Staub, der Gesundheitsexperten noch immer Sorgen macht. "Die Luftverschmutzung hat seit den Achtzigerjahren erheblich abgenommen", sagt Rob Beelen, Epidemiologe an der Universität Utrecht und Erstautor der neuen Studie. Die Werte für Feinstaub und andere schwebende Partikel seien vielerorts noch immer zu hoch.

Staub ist nicht gleich Staub. Fachleute unterscheiden zwischen verschiedenen Sorten. Als Feinstaub, im Wissenschaftsjargon PM10 genannt, gelten alle Teilchen mit einem Durchmesser bis zehn Mikrometer. Für Kohlenstoff und Ruß wurden eigene Kategorien und Messverfahren eingerichtet. Alle Körnchen mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometer, einschließlich der ultrafeinen Partikel, werden als PM2.5 bezeichnet. Und genau diese scheinen gefährlicher zu sein, als man bislang angenommen hat.

Der neuen Erhebung zufolge steigt das jährliche Sterblichkeitsrisiko bei zunehmender PM2.5-Belastung stetig an - um durchschnittlich sieben Prozent pro Zunahme von fünf Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Das heißt: Personen, die in einer Umgebung mit durchschnittlich 20 Mikrogramm PM2.5 pro Kubikmeter Atemluft leben, haben ein 14 Prozent höheres Risiko, zu einem exakt vorherbestimmten Zeitpunkt zu sterben, als Altersgenossen an einem Ort mit einer mittleren PM2.5-Konzentration von nur zehn Mikrogramm pro Kubikmeter.

Durch Zellmembrane

Solche Belastungen entsprechen in etwa dem Unterschied zwischen jenen von Anwohnern einer stark befahrenen Straße und solchen, die weiter davon entfernt auf dem Land leben, meint Rob Beelen. Für PM10, andere Staubkategorien und Stickstoffoxide konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen Konzentration und Sterblichkeit festgestellt werden. Die detaillierten Ergebnisse der "Escape"-Studie wurden Anfang des Monats in der Fachzeitschrift Lancet (Bd. 383, S. 785) veröffentlicht.

Es ist das erste Mal, dass Forscher einen so deutlichen Zusammenhang zwischen Feinstaubverschmutzung und Mortalitätsrisiko nachweisen konnten. Die große Datenmenge hat den Ausschlag gegeben. "Wenn man 22 Studien auf einen Haufen wirft und einer Metaanalyse unterzieht, kommt man zu zuverlässigen Resultaten", so Beelen. Über welche Mechanismen PM2.5 der Gesundheit schadet, ist allerdings noch nicht abschließend geklärt.

Tierversuchen und Experimenten mit Zellkulturen zufolge sind ultrafeine Staubpartikel mit einem Durchmesser von weniger als 0,5 Mikrometer in der Lage, Zellmembranen zu durchdringen. Sie gelangen in die Blutbahn und in lebenswichtige Organe. Die winzigen Teilchen schaffen es sogar, über die Geruchsnerven ins Gehirn einzudringen (vgl. u. a.: Inhalation Toxicology, Bd. 16, S. 437). Welche Reaktionen sie dort und anderswo im Körper auslösen, hängt von ihrer chemischen Zusammensetzung ab. Je mehr oxidativen Stress sie in Zellen verursachen, desto höher die Gefahr.

Globales Problem

Das Expertenteam deckte noch weitere Details auf: Die Sterblichkeit steigt auch bei PM2.5-Konzentrationen, die noch weit unter dem EU-Höchstwert von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter liegen. Sogar unter 15 Mikrogramm pro Kubikmeter war der Effekt noch nachweisbar. Man sollte deshalb den von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlenen Grenzwert von zehn Mikrogramm pro Kubikmeter übernehmen, meinen die Wissenschafter.

Der Straßenverkehr ist indes nicht der einzige Verursacher von Luftverschmutzung durch Feinstaub. PM2.5 stammt zu einem wesentlichen Teil auch aus Industrieemissionen und kann sich über große Entfernungen verbreiten, betont Beelen. "Deshalb ist es nicht nur ein lokales Problem, sondern muss auf europäischer Ebene gelöst werden." (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, 25.3.2014)